Das Flüstern der Stille
Zeit haben, es gibt noch einige Formulare auszufüllen. Aber das hat Zeit, bis Sie sich mit Ihren Kindern eingerichtet haben.“
„Ich danke Ihnen.“ Jeder hier ist so nett, und kurz wünsche ich mir, selbst hier eingeliefert worden zu sein, damit sich die Leute so liebevoll um mich kümmern.
Als Molly die Trage mit Calli den Gang hinunterschiebt, sehe ich Dr. Higby in Begleitung einer Frau auf uns zukommen. Sie ist etwas älter, vielleicht Anfang sechzig, mit eisengrauen Haaren, einer Brille und wunderschöner Haut. Die Haut meiner Mutter hatte auch so ausgesehen, bevor sie krank wurde, aber ich habe mir nie die Zeit genommen, das entsprechend zu würdigen.
„Mrs. Clark, darf ich Ihnen Dr. Kelsing vorstellen?“, fragt Dr. Hilby. „Wir teilen uns Dr. Kelsing mit dem Krankenhaus in Winner.“
„Freut mich, Sie kennenzulernen, Dr. Kelsing.“
„Ebenso, Mrs. Clark. Soweit ich es verstanden habe, hatte Calli heute einen schweren Tag?“
„Ja, den hatte sie.“ Unter dem Blick von Dr. Kelsing fühle ich mich plötzlich scheu. Ihre Augen sind scharf und intelligent, und ich habe das Gefühl, dass ihr nur wenige Leute etwas vormachen können.
„Familien, die sehr stressige Situationen durchgemacht haben, so wie Sie, tun sich oft schwer damit, Hilfe von außen anzunehmen. Die meisten versuchen, ihre Familie abzuschotten, um mit dem Erlebten fertig zu werden. Sie versuchen, die Nachwirkungen allein zu bewältigen.“
Wir stehen vor dem Röntgenraum, als Molly zu Calli sagt: „Calli, Schätzchen, wir müssen jetzt Bilder von dir machen. Deine Mom sollte lieber hier draußen bleiben, weil wir von ihr heute keine Bilder brauchen. Nur von dir. Du kannst sie aber durch dieses Fenster hier sehen, okay? Bist du damit einverstanden?“
Calli nickt.
„Ich bin gleich hier draußen und habe dich durch das Fenster im Auge, Calli“, versichere ich ihr. Molly schiebt Calli in den Röntgenraum, und ich schaue zu, wie sie mein kleines Mädchen auf den Tisch legen, ihre Arme und Beine in verschiedene Richtungen biegen, versuchen, den besten Winkel für die Aufnahmen zu finden. Calli sieht so klein aus, so jung. Die Wirklichkeit all dessen brennt hinter meinen Augen, und ich drücke mit den Fingern auf meine Lider. Ich will nicht vor dieser Fremden in Tränen ausbrechen.
Ich wende mich wieder an Dr. Kelsing. „Ich weiß, dass ich hiermit nicht allein klarkomme. Können Sie uns helfen? Können Sie Calli helfen, damit sie weiter spricht?“
„Ich kann Ihnen nichts versprechen, Mrs. Clark, aber wir können zusammen daran arbeiten, was auch immer Sie für das Beste für Calli halten. Ich habe einige Erfahrung mit selektivem Mutismus. Vielleicht kann ich Ihnen nützlich sein.“
Aus einem seltsamen, mir unbekannten Grund entscheide ich mich, dieser Frau zu vertrauen, die die gleiche Haut wie meine Mutter hat. „Ich habe Angst“, erzähle ich ihr und kämpfe damit, nicht zu weinen. „Ich habe solche Angst davor herauszufinden, wieso sie überhaupt aufgehört hat zu sprechen. Aber ich habe noch mehr Angst …“ Die Tränen laufen mir über die Wangen, und ich beiße mir auf die Lippe, versuche, sie mit purer Willenskraft aufzuhalten. Dr. Kelsing sagt nichts, sondern wartet, bis ich mich wieder gefangen habe. Dafür mag ich sie noch mehr. „Ich habe noch mehr Angst herauszufinden, was im Wald passiert ist und sie wieder zum Sprechen gebracht hat.“
Deputy Sheriff Louis
Ich beobachte, wie Martin versucht, sich zusammenzureißen, als seine Tochter mit dem Helikopter davongeflogen wird. Nachdem sie außer Sicht ist und wir nur noch das Summen der Rotorblätter hören, dreht er sich zu mir und sagt: „Ich muss von dieser verdammten Klippe runter. Ich muss zu Fielda und ihr sagen, dass mit Petra alles wieder in Ordnung kommt.“
„Wir fahren mit den Quads runter, das geht schneller. Danach bringe ich dich sofort zu Fielda“, erkläre ich ihm.
Ungeschickt klettert Martin auf das Quad und schlingt seine Arme um den Officer, der ihn nach unten bringen wird. Der Officer ruft Martin über die Schulter zu, dass er sich gut festhalten soll, und dann sind die beiden auch schon im Dickicht des Waldes verschwunden. Ich hoffe, dass mit Petra wirklich alles wieder gut wird. Sie hat nicht sonderlich gut ausgesehen, und ich weiß, dass der Stress vom Transport mit dem Hubschrauber mehr sein kann, als ihr kleiner Körper verträgt. Ich gehe zu der Stelle, wo Ben mit dem Rücken an einem Baum lehnt. Ich kann nicht sagen, ob er
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