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Das Flüstern der Stille

Das Flüstern der Stille

Titel: Das Flüstern der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Senn Heather Gudenkauf
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nicht“.
    Irgendwann musste ich ihn nahezu aus dem Haus scheuchen, weil er mich ganz nervös gemacht hat. Er ist mit Ben in den Park gegangen, um ein wenig mit ihm Football zu spielen. Ich bin ins Schlafzimmer gegangen und habe mich hingelegt. Keine zehn Minuten später hörte ich diesen unglaublich lauten Donnerknall, und in exakt dem gleichen Augenblick, als es anfing zu regnen, nicht einfach nur Regen, sondern eine wahre Sturzflut, platzte meine Fruchtblase, und ich wusste, dass du auf dem Weg bist.“
    Calli lächelt etwas bei dieser Geschichte, die ich ihr schon so oft erzählt habe. Ihre Gliedmaßen haben sich in meinen Armen total entspannt, aber ihre Augen sind immer noch hellwach, als wenn sie jederzeit bereit wäre, vom Tisch zu springen, wenn es nötig wird.
    „Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Dein Daddy war mit Ben im Auto unterwegs. Ich hatte ihm gesagt, dass es noch Stunden dauern würde, bis wir ins Krankenhaus müssten. Es schüttete wie aus Eimern. Ich konnte den Regen auf das Dach eintrommeln hören, und der Wind blies so kräftig, dass die Fensterrahmen klapperten. Es schien, als wenn ich bei jedem Donnerschlag eine Wehe hätte, als ob du mir sagen wolltest: ‘Pass auf, ich bin auf dem Weg.’ Ich rief meinen Arzt an, der mir sagte, dass ich so schnell wie möglich ins Krankenhaus fahren solle. Also habe ich einige Sachen in Bens Schulranzen geworfen, dann den kleinen Strampler, den du auf dem Weg vom Krankenhaus nach Hause tragen solltest, sorgfältig in deine gelbe Decke gewickelt und ebenfalls in den Ranzen gesteckt. Ich habe noch kurz überlegt, ob ich Mrs. Norland von nebenan anrufen sollte, aber ich dachte, dass sie bestimmt bei dem Sturm nicht vor die Tür wollte, also entschied ich mich, in Daddys Truck zum Krankenhaus zu fahren. In genau dieses Krankenhaus übrigens. Das Problem war, dass ich die Autoschlüssel nicht finden konnte. Er hat sie nie zwei Mal an den gleichen Platz gelegt. Also hab ich zwanzig Minuten damit verbracht, die Schlüssel zu suchen, und sie dann endlich in der Tasche einer Jeans gefunden, die er neben die Waschmaschine gelegt hatte. Ich nahm mir den Rucksack und öffnete die Tür. Der Wind hat die Fliegentür gepackt und gleich aus den Angeln gerissen. Ich erinnere mich daran, dass mir dein Daddy in dem Moment leidtat, weil er in der Woche davor so viel Zeit damit verbracht hat, diese Angeln zu ölen, damit sie nicht mehr quietschen. Jetzt würde er die Ruhe beim Öffnen und Schließen der Tür gar nicht mehr genießen können.
    Ich hoffte, dass Dad und Ben bereits auf dem Rückweg waren, und gerade als ich mich in den Truck gehievt hatte – was nicht einfach ist, wenn man schwanger ist und noch dazu schon Wehen hat –, fiel mir ein, dass ich vergessen hatte, ihnen einen Zettel hinzulegen. Also stieg ich wieder aus, watschelte wie eine Riesenente ins Haus zurück und schrieb eine kurze Notiz. Auf dem Zettel stand einfach BABY!!! In Großbuchstaben. Dann bin ich wieder hinaus in den Sturm und zum Truck. Ich hatte vorher erst ein, vielleicht zwei Mal einen Wagen mit Schaltgetriebe gefahren, und beide Male war Daddy dabei, um mir zu helfen. Aber irgendwie – und frag mich nicht wie – habe ich es geschafft, den Motor zu starten und das Ding auf die Straße zu bringen. Es regnete so stark, dass die Scheibenwischer nicht mithalten konnten, und ich musste extrem langsam fahren, um sicherzugehen, dass ich auf der Straße blieb. Ich habe gebetet, dass kein anderes Auto von hinten kommt und mir reinfährt, weil ich so schneckenlangsam dahinkroch. Aber Gott sei Dank habe ich kein anderes Auto gesehen, bis ich in die Stadt kam. Alle paar Minuten musste ich an den Rand fahren, wenn eine Wehe mich packte, und dabei habe ich meine Füße fest auf Kupplung und Bremse gestemmt, um den Truck nicht abzuwürgen. Ich war entschlossen, es bis zum Krankenhaus zu schaffen. Obwohl du die Einzige warst, die mich vielleicht hören konnte, habe ich laut gesagt: ‘Ich werde mein Baby nicht in diesem rostigen alten Truck bekommen!’ Ganz langsam fuhr ich weiter und weiter, bis ich endlich am Krankenhaus ankam. Ich hab den Truck einfach an der Einfahrt zur Notaufnahme stehen lassen. Erst später hat man mir gesagt, dass ich die Tür offen gelassen habe, das Licht brannte, die Schlüssel steckten noch im Zündschloss. Zu dem Zeitpunkt hatte ich wohl keinen rechten Kopf für solche Details, was?
    Die Schwester hatte mir gerade ins Bett geholfen, und der Doktor hatte kaum den Raum

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