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Das Flüstern der Toten (German Edition)

Das Flüstern der Toten (German Edition)

Titel: Das Flüstern der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Darynda Jones
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tief Luft. »Schau, Neil, eigentlich frage ich aus mehr persönlichen Gründen, okay? Ich arbeite an einem Fall, ja, aber das hat hiermit nichts zu tun. Es ist nur … « Es ist nur, dass ich am liebsten über deinen Häftling herfallen würde, oder was? Um herauszufinden, ob er sich in Luft auflösen kann? »Dass ich mich gerne mal mit ihm unterhalten würde.«
    Dazu ein Klimpern mit den Wimpern. Vermutlich sah ich dabei wie eine Vollidiotin aus. Wie so ein Gefängnisgroupie, der einem Insassen Liebesbriefe schreibt und schließlich mit ihm in den Hafen der Ehe einläuft.
    »Du weißt es also nicht?«, fragte er. Da schwang Erleichterung in seiner Stimme mit. Aber auch noch etwas anderes. Bedauern vielleicht?
    »Anscheinend nicht.« Gleich würde er es aussprechen: Reyes war tot. Verstorben vor … einem Monat? Ich erwartete die Neuigkeit mit angehaltenem Atem.
    »Farrow liegt im Koma. Seit fast einem Monat.«
    Ich brauchte eine Weile, um meine Kinnlade vom Boden aufzuheben und die Sprache wiederzufinden. Als es so weit war, fragte ich: »Im Koma? Warum? Wieso? Was ist denn passiert?«
    Neil erhob sich hinter seinem Schreibtisch und gab mir den Aktenordner. »Wie wär’s mit Kaffee?«
    Ich nahm ihm das Konvolut ab, als wäre es mit kostbaren Edelsteinen besetzt, dann sagte ich gedankenverloren: »Dafür würde ich morden.« Uupsie. »Nein, würde ich natürlich nicht«, versicherte ich ihm und warf einen Blick durchs Fenster auf die Mauer des Hochsicherheitsgefängnisses . »Ich habe noch nie jemanden ermordet. Na ja, außer einmal, aber der hatte es verdient.«
    Mein schwacher Versuch, witzig zu sein, schien Neil locker zu machen. Seine Lippen verdünnten sich zu einem unauffälligen Lächeln. »Du hast dich kein bisschen verändert.«
    Ich biss mir auf die Unterlippe. »Das ist vermutlich nicht so doll, oder?«
    »Nicht im Mindesten.«
    Er ließ mich mit meiner Verwunderung über diese Bemerkung allein und ging Kaffee holen, während ich Reyes’ Akte betrachtete, die anderenorts auch als der Heilige Gral bekannt war.

12
    Reyes Farrow – Perfektion ist ein schmutziges Geschäft,
    aber einer muss sich ja drum kümmern .
    – Charlotte Jean Davidson
    »Kennst du ihn?«, fragte Neil mich über eine Stunde später. Ich hatte gelesen. Wir hatten geplaudert. Dann rief Garrett an. Ich ging nicht dran.
    Und ich wurde schlauer. Ungefähr vor einem Monat kam es im Gefängnishof zu einem Streit, worauf das Gefängnis sofort abgeriegelt wurde und alle sich auf den Boden legen sollten. Als einer der Insassen, ein großer, kindischer Kerl, der sich Reyes angeschlossen hatte, durchdrehte und sich nicht hinlegte, wollte ein Wächter auf einem der Wachtürme einen Warnschuss abgeben. Reyes sah es und stürzte sich auf seinen Kumpel, um ihn zu Boden zu reißen, weil er dachte, der Wächter wollte ihn erschießen. Aber anstatt wie geplant harmlos in den Boden zu dringen, traf die Kugel Reyes am Kopf und durchbohrte seinen Stirnlappen. Seither lag er im Koma.
    Ich sah auf und antwortete auf Neils Frage. »Nur von der Begegnung während meiner Highschoolzeit«, antwortete ich. Ich hatte ihm von dem Abend, an dem ich Reyes über den Weg gelaufen war, und von den Misshandlungen, die er durch sein mutmaßliches späteres Opfer hatte erdulden müssen, berichtet. Neil wirkte nicht sonderlich überrascht. Ich schloss die Akte und blickte in seine grauen Augen. »Mal so ganz unter uns«, sagte ich und beugte mich vertraulich vor. »Sozusagen unter alten Freunden«, führte ich weiter aus. »Welchen Eindruck hat er auf dich gemacht? Was weißt du über ihn?« Ich trommelte mit den Fingerspitzen auf den Aktendeckel. »Was steht hier nicht drin?«
    Neil lehnte sich in seinem Sessel zurück, rückte seinen Kragen zurecht und holte tief und lange Luft. »Du würdest mir nicht glauben, was ich dir zu sagen habe.«
    Das klang vielversprechend. »Und ob ich das würde«, erwiderte ich augenzwinkernd.
    Er sah mich eine volle Minute an, ehe er fortfuhr. Und als er endlich sprach, tat er es mit einem Widerwillen, den ich nur zu gut verstand. Natürlich bezweifelte er, dass ich ihm glauben würde. Wenn er nur wüsste …
    »Als Farrow hier eingeliefert wurde, geschah etwas sehr Merkwürdiges, ungefähr eine Woche nachdem er zum Hofgang zugelassen worden war«, sagte er und studierte den Verschluss seiner Armbanduhr. »Die South Side schickte drei ihrer Soldaten, um ihn umzubringen. Weshalb? Keine Ahnung. Aber wenn die South Side losschlägt, sterben

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