Das Flüstern der Toten (German Edition)
nicht, als letztes Mittel des Widerstands. Mir blieb gerade noch Zeit, Ruperts süßen Arsch zu bewundern, als ein Riese im Hoody, entschlossen ein Loch ins Universum zu stanzen, gegen mich prallte.
Wir gingen hart zu Boden, meine schmerzenden Rippen ließen helle Sternlein gleißen … und ich fühlte Angst. Seine Angst. Und seine Unschuld. Der Bursche hatte niemanden erschossen. Verdammt!
13
Artige Frauen machen selten Geschichte.
– Laurel Thatcher Ulrich
Meine Arbeit als Privatschnüfflerin würde niemals legendär werden. Ich würde nie in der kriminologischen Fachliteratur oder in Vorlesungen an den Universitäten vorkommen. Aber ich hatte so ein Gefühl, dass ich mit ein bisschen Glück Thema in Chatrooms werden würde.
Wenn ich schon kein Vorbild sein konnte, dann wenigstens ein abschreckendes Beispiel.
Cookies Versuch, die Zeugnisse und Kurslisten von Reyes’ Highschool in die Finger zu kriegen, schlug leider fehl. So was kam selten vor, aber manchmal eben doch. Es ging dabei irgendwie um Gesetze und Vertraulichkeit. Also marschierte ich mit einem einzigen Ziel im Sinn aufs Polizeirevier. Trotz bloß liegender Nerven und blaugrüner Blutergüsse schenkte ich den argwöhnischen und misstrauischen Blicken keine Beachtung und hielt geradewegs auf den Verhörraum zu.
In dem Moment hörte ich das »Psst«.
Ich ging langsamer und blickte mich suchend um, sah aber nur Schreibtische und Uniformen. Dann erspähte ich die Toiletten. Dort winkte mich mit gekrümmtem Finger eine ältere Latina in einem dünnen, geblümten Kleid heran. Um Kopf und Schultern hatte sie eine schwarze Seidenmantilla drapiert, und ich hätte meinen letzten Nickel darauf gesetzt, dass sie bessere Tortillas machte als irgendwer sonst. Jedenfalls zu Lebzeiten.
Ich hatte eigentlich keine Zeit, mich einer Verstorbenen zu widmen, aber Nein sagen konnte ich auch nicht. Das konnte ich nie. Ich ließ den Blick durchs Revier schweifen und verschwand, ohne genau zu wissen, wieso, betont cool und beiläufig in der Damentoilette. Dem Ruf der Natur zu folgen war sicher nicht verboten. Bereits fünf Minuten später kam ich genauso cool wieder heraus. Nun allerdings bis an die Zähne gerüstet – jedenfalls im übertragenen Sinn – und zu allem bereit.
Ich entdeckte Onkel Bob, der an der Tür des Beobachtungsraums stand. Als ich auf ihn zuhielt, blieb er mit Sergeant Yokel ins Gespräch vertieft.
»Ich möchte einen Handel vorschlagen«, unterbrach ich die beiden.
Yokel funkelte mich an.
Ubie wölbte interessiert die Brauen. »Was für einen Handel?«
»Julio Ontiveros hat unsere Anwälte nicht erschossen.« Menschen verströmen Schuld. Ich kann sie eine Meile gegen den Wind riechen. Und Julio Ontiveros hatte keine Schuld. Jedenfalls nicht an einem Mord. Und was sich wie ein Schuss angehört hatte, war in Wahrheit die Fehlzündung seines Motorrads gewesen. Offenbar nahm er die Maschine, damit sie nicht geklaut wurde, nachts mit in seine Wohnung. Kluger Junge.
»Na toll«, sagte Sergeant Yokel und verdrehte die Augen. »Ich bin ja so froh, dass Sie uns an Ihren Erkenntnissen teilhaben lassen.«
Onkel Bob jedoch zog die Stirn kraus, senkte das Kinn und rückte mir auf die Pelle. »Bist du sicher?«
»Das ist jetzt nicht Ihr Ernst«, versetzte der Sergeant ungläubig.
Onkel Bob schoss in einem seiner seltenen feindseligen Momente einen eisigen Blick auf Yokel ab, unter dem sogar eine unerschrockene Winterrose eingegangen wäre. Yokel hielt darauf die Backen, kehrte uns den Rücken und musterte den Verdächtigen durch den Spionspiegel.
»Es geht hier um eine echt große Sache, Charley, da musst du dir hundert Pro sicher sein. Die Chefetage macht uns nämlich mächtig Druck.«
»Es geht immer um eine große Sache. Denk bloß an das letzte Mal, als ich falsch lag.«
Ubie überlegte, dann schüttelte er den Kopf. »Daran kann ich mich gar nicht erinnern.«
»Eben.«
»Aha, alles klar. Und der Handel?«
Ubie würde begeistert sein. »Wenn ich ihn dazu bringe, ohne Umschweife seinen Anteil an dem zu bekennen, was heute passiert ist, und gegen den wahren Todesschützen auszusagen, musst du im Gegenzug zweierlei für mich tun.«
»Darüber lässt sich reden«, meinte Ubie.
»Du musst mir eine gerichtliche Anordnung besorgen, die verhindert, dass bei einem im Koma liegenden Häftling endgültig der Stecker gezogen wird.«
Seine Brauen schossen in die Höhe. »Auf welcher Grundlage?«
»Das gehört zu erstens«, gab ich achselzuckend
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