Das Flüstern der Toten (German Edition)
zurück. »Du musst dir etwas einfallen lassen. Egal was, Onkel Bob.«
»Ich tue, was ich kann, aber – «
»Kein aber«, fiel ich ihm mit in die Luft gerecktem Zeigefinger ins Wort. »Versprich mir nur, dass du alles versuchst.«
»Du hast mein Wort. Und zweitens?«
»Ich möchte, dass du mit mir zur Highschool gehst. Aber vergiss dabei deine Polizeimarke nicht.«
Nachdem er zum zweiten Mal große Augen gemacht hatte, sagte er: »Ich nehme mal an, dass du mir später alles erklärst.«
»Ich schwör’s«, sagte ich und machte mit den Fingern die entsprechende Geste. »Fürs Erste lassen wir uns von dem Burschen mal verraten, was er weiß.«
Sergeant Yokel, der unser Gespräch belauscht hatte, quittierte meine vermeintliche Überheblichkeit mit einem verächtlichen Schnauben.
Mir entschlüpfte ein ärgerliches Stöhnen. »Was vermutlich nicht lange dauern wird«, fügte ich an Onkel Bob gewandt hinzu.
Unfähig, tatenlos dabeizustehen, drehte sich Sergeant Yokel zu uns herum. »Sie haben doch nicht ernsthaft vor, diese Ermittlung zu gefährden, indem Sie die da reinlassen, oder?« Als Ubie ihn einfach in Gedanken versunken links liegen ließ, knirschte Yokel hörbar mit den Zähnen und baute sich vor meinem Onkel auf. »Davidson«, rief er in Erwartung einer Antwort.
Für so was hatte ich keine Zeit. Während Onkel Bob und Yokel einander maßen, betrat ich den Beobachtungsraum und betrachtete Mr Ontiveros durch den Spionspiegel. Der zweite Beamte im Raum drehte sich überrascht zu mir um. Natürlich schenkte ich ihm keine Beachtung. Julio hockte in einer kleinen, kargen Kammer auf der anderen Seite, zappelte auf seinem Stuhl herum und starrte ins Spiegelglas. Er trug die Haare nach Bandenart – an den Seiten ausrasiert, oben etwas länger – und gab sich ungeheuer cool. Trotzdem schwitzte er Angst aus sämtlichen Poren.
Er war nicht unschuldig, aber erschossen hatte er niemanden. Seine Angst rührte von der Sorge, für etwas einfahren zu müssen, das er gar nicht verbrochen hatte. So was kam in letzter Zeit anscheinend häufiger vor.
Ich drehte mich um und winkte Ysenia, der Latina, mit der ich mich eben in der Damentoilette unterhalten hatte und die außerdem zufällig Julio Ontiveros’ Tante war. Sie wartete in der Ecke und ließ, als ich hinausging, ein boshaftes Grinsen aufblitzen.
»Ich bin so weit«, warf ich Onkel Bob zu, ehe ich den eigentlichen Verhörraum betrat. Als ich die Tür zumachte, hörte ich noch, wie er und Yokel sich beeilten, in den Beobachtungsraum zu gelangen, um nichts zu verpassen. Dann vernahm ich noch mehr eilige Schritte. Offenbar war uns ein Publikum beschieden. Das womöglich enttäuscht sein würde. Lange würde dieses Verhör nicht dauern.
Julio saß in Handschellen an einem kleinen Metalltisch. Als er zu mir hochsah, riss er überrascht die Augen auf und runzelte für den Bruchteil einer Sekunde misstrauisch die Stirn, ehe er seine Gesichtszüge wieder mustergültig unter Kontrolle hatte.
Dann lehnte er sich lässig zurück. »Was für scheiß …«
»Klappe!«, versetzte ich und marschierte um ihn herum. Dann beugte ich mich vor seiner Nase über den Tisch, berührte dabei mit der Hüfte seine gefesselten Handgelenke, verstellte ihm die Sicht auf den Spiegel und verhinderte damit, worauf es mir am meisten ankam, nämlich dass die Männer im Beobachtungsraum uns belauschen konnten. Ich kam Ontiveros nahe genug für einen Lapdance. Ein notwendiges Übel, weil das, was ich zu sagen hatte, niemanden etwas anging. Andernfalls würde ich nämlich an einem speziellen Ort mit gepolsterten Wänden und Medikamenten in weißen Plastikschälchen landen.
Ich konnte spüren, wie Onkel Bobs Nerven blank lagen, weil ich zu dem, wie er glaubte, kaltblütigen Killer keinen Abstand hielt. Doch ich wusste es besser.
Ich hatte Julio überrumpelt und nutzte die Zeit, die er benötigte, um wieder zu sich zu kommen, beugte mich vor und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Es würde nicht lange dauern, bis Onkel Bob, der um meine Sicherheit fürchtete, in den Raum platzte. Ein paar Worte nur, zwei, drei kurze Sätze, und Mr Ontiveros würde singen wie ein Kanarienvogel.
Ich flehte den Himmel um zehn Sekunden an. Und ich wurde erhört.
»Wir haben nicht viel Zeit, also seien Sie still und hören Sie mir zu.«
Er nutzte lieber die Gelegenheit, den Obercoolen zu mimen. Er beugte sich weit vor und inhalierte den Duft meines Halses und meiner Haare.
»Ihre tía Ysenia schickt mich … «
Er
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