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Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Titel: Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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Bruder gefangen halten?«
    »Sie ziehen voreilige Schlussfolgerungen, Mr. Holmes. Das ist Ihrem guten Ruf nicht zuträglich. Wir begeben uns jetzt gemeinsam auf eine kurze Reise. Wenn wir unser Ziel erreicht haben, wird sich alles aufklären.«
    Schweigend setzten wir unsere Fahrt fort. Die Kutsche schaukelte und rumpelte über das unebene Kopfsteinpflaster. Die Fenster blieben verhangen, so dass es keine Möglichkeit gab, festzustellen, in welche Richtung wir uns bewegten. Die ganze Zeit hindurch war mir schmerzhaft bewusst, dass einer der beiden Männer seine Waffe auf uns gerichtet hielt.
    Plötzlich kam die Kalesche zum Stillstand. Die Tür wurde aufgerissen, es erschien eine dritte schattenhafte Gestalt, ebenfalls bewaffnet, die uns bedeutete, auszusteigen. Wir traten hinaus in einen kleinen, geschlossenen Innenhof. Der Mann, der sich als Mallon ausgegeben hatte, ging voran ins Haus, das einen unbewohnten Eindruck machte, zündete eine Laterne an und führte uns durch einen spärlich beleuchteten Gang. Am Ende des Ganges blieb er vor einer Tür stehen und klopfte an. Sein Klopfen klang wie ein verabredetes Signal.
    Eine Stimme rief: »Herein!«
    An einem langen Tisch saßen drei Männer in einer Reihe. Ihnen gegenüber standen zwei Stühle, auf denen man uns bedeutete, Platz zu nehmen.
    Der Grauhaarige in der Mitte ergriff das Wort: »Ich muss mich entschuldigen für die unorthodoxe Art, wie ich Sie hierherbringen ließ, Mr. Holmes und Dr. Watson.« Seine Aussprache war Englisch; keine Spur von einem irischen Dialekt.
    Ich setzte soeben zu einer zornigen Erwiderung an, als Holmes mir zuvorkam, indem er in ehrerbietigem Ton antwortete: »Ich bin erstaunt, Sie hier anzutreffen, Mylord, auch wenn es Ihre Kutsche war, mit der wir fuhren.« Offenbar war es kein geringerer als Lord Maynooth, der uns gegenübersaß.
    »Das wundert mich nicht«, entgegnete er. »Doch Namen spielen hier eigentlich keine Rolle; die britische Regierung wird es sowieso leugnen, dass dieses Treffen je stattgefunden hat. Die Herren rechts und links von mir vertreten die Interessen der Irischen Nationalpartei und der Irischen Republikanischen Bruderschaft.«
    Ich glaube, Holmes war von dieser Aussage ebenso überrascht wie ich.
    »Darf ich fragen, welchen politischen Standpunkt Sie einnehmen, Mr. Holmes?«
    »Könnten Sie Ihre Frage ein wenig präzisieren, Mylord?«, bat Holmes.
    Ich muss gestehen, dass mich Holmes’ scheinbares Desinteresse am aktuellen Tagesgeschehen lange Zeit in Erstaunen versetzt hatte. Erst im vergangenen Jahr hatte er, als ich ihm vom Tod des großen schottischen Gelehrten Thomas Carlyle berichtete, einfältig gefragt, wer das sei. Später sollte ich erfahren, dass Holmes häufig Unwissenheit, besonders in politischen Fragen, vortäuschte, um Diskussionen aus dem Weg zu gehen. Tatsächlich war er gut informiert und vertrat dezidierte Ansichten.
    »Ich spreche von der derzeitige Lage in Irland«, sagte Lord Maynooth.
    »Ich befürworte die Haltung des Premierministers hinsichtlich der Änderung der Pachtgesetze«, erwiderte Holmes. »Das Zwangsvertreibungsgesetz, das im vergangenen Jahr erlassen wurde, war meines Erachtens ein tragischer Fehler, wie ich auch die Verhaftungen demokratisch gewählter Vertreter wie Parnell und Davitt für äußerst unklug halte. Ich bin alt genug, um mich bewusst an den Aufstand von 1867 erinnern zu können. Mit derartigen Repressionen erreicht man weiter nichts, als eine erneute Rebellion zu provozieren. Daher würde ich für ein eigenständiges irisches Parlament plädieren.«
    »Sie sind also Befürworter der Selbstverwaltung für Irland?«, fragte der gutgekleidete, bärtige Herr, der links von Lord Maynooth saß.
    »Genau das habe ich soeben versucht zu vermitteln«, antwortete Holmes knapp.
    »Nun, Mr. Holmes, wir sind in großen Schwierigkeiten, und wir mussten herausfinden, wo Sie stehen. Die Schwierigkeiten sind so enorm, dass die Entführung Ihres Bruders eher nebensächlich erscheint.«
    Ich sah, wie Holmes grimmig die Lippen zusammenpresste, ehe er trocken erwiderte: »Nun, jeder hat seine Prioritäten.«
    Lord Maynooth schien der Wortführer zu sein. »Unsere Hauptaufgabe«, erklärte er, »besteht darin, zu verhindern, dass sich in Irland die Anarchie ausbreitet und nach England überschwappt. Sie sind als Experte bekannt, Mr. Holmes, und als Ihr Bruder entführt wurde, wussten wir, dass wir zur Lösung des Falls keinen fähigeren Mann als Sie finden könnten.«
    »Wir?

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