Das Fluestern des Todes
aufgenommen?«
»Ach, weißt du …« Er beobachtete Dans handwerkliches Geschick beim Kochen. »Hilf ihr, so weit es geht, aber ich kann dir nur raten, den Kontakt abzubrechen, sobald dieser Job abgeschlossen ist.«
»Glaubst du, sie knallt durch oder so?«
»Ich weiß es nicht, aber ich hab ein schlechtes Gefühl. Um ehrlich zu sein: Wahrscheinlich liegt es einfach an mir. Ich bin auf dem besten Weg, ein Weichei zu werden.«
Dan lächelte wieder. »Du bist ja auch schon steinalt, mein Bester.«
»In der Tat. Mach’s gut, Dan, ich werd dir einen Platz im Altersheim reservieren.«
»Vielleicht brauchen sie da ja einen Koch.«
Er spazierte ein Stück die Straße hinunter, bevor er ein Taxi anhielt und nach Heathrow fuhr. Auf dem Weg zum Flughafen stellte er fest, dass er entspannt und zufrieden war, ja geradezu glücklich. Er hatte sich von Ella Hatto gelöst, bevor es zu Kollateralschäden kommen konnte. Die ganze Episode würde ihm künftig als lehrreiches Beispiel dienen, warum er diese hermetische Welt ein für allemal hinter sich lassen musste.
Er wollte so leben wie andere Menschen auch. In seinen zweiundvierzig Jahren hatte er diese Normalität nur ansatzweise erleben dürfen. Er wusste nicht einmal, ob er das Zeug dazu hatte, ob seine psychischen Defekte nicht schon zu schwerwiegend waren. Aber er schätzte sich trotzdem glücklich, weil er die Chance hatte, es herauszufinden. Solange er lebte, war es für eine Umkehr nie zu spät.
SIEBZEHN
Sie hatte in letzter Zeit nur selten ihr Hotelzimmer verlassen – und hatte auch heute gewartet, bis man ihr vom Empfang aus mitteilte, dass ihr Gast eingetroffen sei. Er wartete in der Lobby. Seit jenem Tag mit Novakovic hatte sie ihn nicht mehr gesehen, aber in seinem schwarzen Anzug und schwarzen Hemd war er unverwechselbar.
»Wie geht’s?«
»Danke, gut. Lassen Sie uns zur Bar gehen.« Sie ging ihm voraus und nahm an einem Tisch Platz.
Der Kellner lächelte sie freundlich an. »Mineralwasser bitte«, sagte sie. »Malve. Dan?«
Er schaute auf seine Uhr. »Ich nehme einen Talisker, ohne Eis«, sagte er und strahlte Ella an. Für einen Profikiller sah er irritierend gut aus. »Ich bin eigentlich nur gekommen, um Hallo zu sagen und nach dem Rechten zu schauen.«
»Aber Sie sind doch ein Auftragsmörder, oder nicht?« Er sah sich kurz um, aber sie hatte sich bereits vergewissert, dass sich niemand in Hörweite befand.
»Die Bezeichnung ist vielleicht ein bisschen zu eng gefasst.«
»Sie töten Leute, die ich tot sehen möchte?«
»Klar, kein Problem. Ich möchte nur nicht den Eindruck erwecken, als sei ich ein Schläger mit ’ner Knarre.«
Sie lächelte. »Keine Angst, diesen Eindruck habe ich ganz sicher nicht. Aber wo wir schon von Schlägern sprechen: Ich sollte was für meine Sicherheit tun. Ein paar Bodyguards könnten nicht schaden.«
»Nein, vergessen Sie’s. Bodyguards sind nur was für Promis. Und davon abgesehen: Sie schweben doch nicht in akuter Gefahr, oder?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe Bruno Brodsky ins Jenseits befördert. Lucas meinte, ich sollte lieber auf mich aufpassen.«
»Ach, da würd ich mir keine Sorgen machen. Er wollte damit nur gesagt haben, dass Sie besser aufpassen sollten, wen Sie alles umbringen.«
Sie brauchte eine Weile, um diese Information zu verarbeiten. Offenbar hatte Lucas Brodsky nur als Vorwand benutzt. Sie fühlte sich hintergangen und spürte, wie der Ärger in ihr aufstieg. Doch dann wurde ihr klar, dass er letztlich nur seinen Prinzipien gefolgt war – was die Sache aber noch ärgerlicher machte: Sie hatte für ihren Rachefeldzug schließlich ein legitimes Motiv – und wurde nun von einem Mann kritisiert, dessen Leben mit unfassbaren Gräueltaten nur so gepflastert war.
»Was ist mit Lucas bloß los?«
»Er hat keine Lust mehr, das ist alles. Er will aussteigen.«
Der Kellner kam mit den Getränken. Dan hielt seine Nase über das Glas, atmete tief ein und schien schon vom Geruch berauscht zu sein. Dann nippte er an seinem Whiskey. »Wollen Sie eine Geschichte hören, wie gut Lucas in seinen besten Tagen war?«
»Klar.«
»Vor etwa sechs Jahren bekam er den Auftrag, einen Typen namens Cheval umzulegen. Nein, Chavanne war sein Name. Da er früher mit Chavanne zusammengearbeitet hatte und ihn mochte, rief er Chavanne an, um ihm noch eine letzte Möglichkeit zu geben, seine privaten Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. Chavanne fragte, ob es noch irgendeinen Ausweg gäbe, was Lucas aber
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