Das Fluestern des Todes
treffen und mich noch einmal bei ihm zu bedanken.« Jetzt war sie wieder etwas sicherer und hatte auch nicht mehr das Gefühl, dass ihr schlechtes Gewissen nicht mehr so deutlich zu erkennen war. »Und ja, beim letzten Mal habe ich gelogen, als ich behauptete, seinen vollen Namen nicht zu kennen.«
»Warum?«
»Weil er mich darum gebeten hatte. Der Mann hat mir schließlich das Leben gerettet.«
Vicky nickte und schien für einen Augenblick Mitgefühl zu haben, setzte aber umgehend ihre professionelle Miene auf. »Stephen Lucas kannte Bruno Brodsky, und Brodsky war ein krimineller Mittelsmann, der möglicherweise die Ermordung Ihrer Familie organisiert hat. Es scheint mir daher ein sehr unwahrscheinlicher Zufall, dass Bruno Brodsky gerade zu dem Zeitpunkt bei einer gewaltigen Gasexplosion ums Leben kam, als Sie und Lucas sich in Budapest aufhielten.«
»Wie gesagt: Ich kenne niemanden mit dem Namen Bruno Brodsky.« Sie hielt es für unwahrscheinlich, dass die Polizei weiterführendes Beweismaterial über ihren Besuch in Budapest gesammelt hatte – und schlug deshalb einen forscheren Ton an. »Sie sagten ja selbst, dass Lucas ihn gekannt hat. Und da ich mal davon ausgehe, dass Sie auch über Lucas bestens informiert sind, stellt sich mir die Frage: Warum sprechen Sie nicht mit ihm selbst?«
»Wie ich eingangs erwähnte, handelt es sich hier nicht um eine offizielle Ermittlung.« Sie wirkte verunsichert und wollte offensichtlich nicht auf die Frage eingehen – was Ella wiederum zu der Vermutung führte, dass Lucas in irgendeiner Form vor polizeilichen Zugriffen geschützt war. »Nichtsdestotrotz muss ich Ihnen mitteilen, dass diese und andere Vorfälle mit größter Konsequenz untersucht werden. Ob Ihnen das nun bewusst ist oder nicht: Einige Menschen aus Ihrem Bekanntenkreis stehen mit dem Gesetz auf Kriegsfuß – und Sie täten gut daran, sich in Ihren Entscheidungen nicht von diesen Leuten beeinflussen zu lassen.«
»Machen Sie sich da mal keine Gedanken. Ich lasse mich von niemandem beeinflussen.«
Vicky nickte, schien von dem Verlauf des Gespräches aber dennoch enttäuscht zu sein.
Erst als Vicky das Zimmer verlassen hatte, liefen Ellas Nerven Amok. Sie brach in Schweiß aus und konnte ihren Herzschlag nicht unter Kontrolle bringen. Es war nicht mal so sehr die Angst, erwischt zu werden. Was sie krank machte, war die Vorstellung, aus dem Verkehr gezogen zu werden, bevor sie ihre Aufgabe zu Ende gebracht hatte.
Die Schlinge schien sich immer weiter zuzuziehen. Wenn die Polizei über Budapest Bescheid wusste, würden es auch andere Leute erfahren – die Leute, vor denen Lucas sie gewarnt hatte. Vielleicht war inzwischen auch Simon argwöhnisch geworden. Und sie verstand einfach nicht, warum Dan sich nicht meldete. Sie musste ihm klarmachen, was ihr selbst schmerzhaft bewusst war: dass ihnen die Zeit davonlief.
ACHTZEHN
Es sollte eine weitere Woche dauern, bis Dan sich schließlich meldete. Er hatte sie zwischenzeitlich nicht auf dem Laufenden gehalten, sie nicht einmal kontaktiert, doch plötzlich rief er aus der Lobby an und sagte, dass er jemanden dabeihabe, den sie mit Sicherheit treffen wollte. Ein paar Minuten später traten sie ins Wohnzimmer ihrer Suite.
Dan war wie immer aus dem Ei gepellt, während sein Begleiter ausgewaschene Jeans und eine Kapuzenjacke trug. Er war noch relativ jung, auch wenn sich sein Alter hinter den langen, ungepflegten Haaren und dem Bartansatz nur schwer definieren ließ.
Sie spürte die Anspannung in ihrem Körper, als ihr klar wurde, dass dies offensichtlich keiner von Dans Helfershelfern war, sondern der verbitterte Angestellte von Larsen Grohl, nach dem sie die ganze Zeit gefahndet hatten. Rein optisch schien er dieses Kriterium durchaus zu erfüllen, doch gleichzeitig hatte sie ihre Zweifel: Der Junge wirkte viel zu bescheiden und unauffällig, tatsächlich derjenige sein zu können, der ihr so viel Schmerz zugefügt hatte – und der nun mit ihrer geballten Wut rechnen musste.
»Setz dich, Jim.« Dan lächelte sie an und wischte ihre Befürchtung mit einem Satz vom Tisch: »Machen Sie sich keine Sorgen. Jim ist auf unserer Seite.«
»Jim Catesby. Wie geht es Ihnen?« Er schüttelte ihre Hand, bevor er Platz nahm.
»Freut mich, Sie kennenzulernen.« Sie wandte sich zu Dan. »Ich gehe mal davon aus, dass Sie etwas gefunden haben?«
»Meinen Kumpel Jim, den hab ich gefunden. Er arbeitet für Larsen Grohl und ist, wie’s der Zufall will, dort für die
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