Das Fluestern des Todes
lächelte, doch als sie bei ihm ankam, wirkte er wieder ernst und streng. »Nimm bitte Platz. Es gibt etwas, über das ich mit dir sprechen muss.« Sie setzte sich und versuchte, ein unschuldiges Gesicht aufzusetzen. »Ich habe heute Abend einige Telefonate geführt, die Informationen zu überprüfen, die Bruno uns gegeben hat. Und dabei bin ich auf etwas Interessantes gestoßen, was den Eigentümer von Larsen Grohl betrifft.«
Sie brauchte einen Moment, um erleichtert zu registrieren, dass sich das Gespräch nicht um ihren Besuch bei Brodsky drehte. Sie konnte sich nicht erklären, weshalb er ihn mit keinem Wort erwähnte, wo er doch von ihrem Besuch bei ihm wusste, kam aber zu der Schlussfolgerung, dass seine Erkenntnisse zu Larsen Grohl eine weitaus größere Bedeutung haben mussten.
»Wieso? Wer ist denn der Eigentümer?«
»Du.«
»Wie bitte? Das kapier ich nicht.«
Er nickte ernst. »Es ist eine der Firmen, die deinem Vater gehörten. Was bedeutet, dass der Mörder deiner Familie nicht ein Kontrahent aus grauer Vorzeit ist, sondern ein Insider, der sogar in der Lage war, seine Tat mit einem Firmenkonto zu finanzieren.«
Sie verstand immer noch nicht vollständig, was er ihr zu vermitteln suchte. In einem Punkt hatte er jedenfalls schon frühzeitig die richtige Vermutung gehabt: dass es nur ein Insider sein konnte, dem ihr Vater blind vertraut hatte. Irgendjemand bei Larsen Grohl hatte das Geld ihres Vaters benutzt, um ihn und seine Familie umzubringen.
Eine Alarmsirene ertönte, ein Notfallwagen raste am Hotel vorbei. Lucas schien ihm keine Aufmerksamkeit zu schenken. »Wir müssen dringend mit Simon sprechen«, sagte sie, »und uns die Namen aller aktuellen und ehemaligen Mitarbeiter nennen lassen. Dann können wir herausfinden, wer meinem Vater schaden wollte.«
»Ich denke, es ist viel einfacher: Wir müssen nur herausfinden, wer die Überweisung autorisiert hat.« Er sah bedrückt aus und machte den Eindruck, als wolle er noch etwas sagen, sei sich aber nicht sicher, wie er es formulieren sollte.
»Was haben Sie auf dem Herzen?«
»Ich glaube, dass es zumindest in der näheren Zukunft sinnvoller ist, nicht mit Simon darüber zu sprechen.«
»Und warum nicht?« Sie beantwortete ihre Frage selbst, als sie lachend fortfuhr: »Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass er etwas damit zu tun hat?«
»Er ist derjenige, der den größten Vorteil daraus ziehen konnte.«
»Da kennen Sie Simon aber schlecht. Denken Sie doch mal nach: Wenn er es wirklich getan hat, um das Geschäft an sich zu reißen – was ist dann mit mir? Ich bin immer noch am Leben – und habe das Geschäft übernommen. Er weiß sogar, dass ich ihn in meinem Testament als Erben eingesetzt habe. Also … warum bin ich noch hier? Wenn er es wirklich wäre: Warum bin ich noch hier?«
»Vielleicht wartet er nur auf den richtigen Zeitpunkt. Das würde auch erklären, warum du gerade ganz offensichtlich nicht in Gefahr bist. Du bist viel zu nah an ihm dran – das wäre viel zu verdächtig. Und du hast ihm freie Hand gegeben, die Geschäfte zu führen, also kann er nun in Ruhe abwarten, bis sich die geeignete Gelegenheit anbietet.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, da liegen Sie völlig falsch. Ich vertraue Simon hundertprozentig.«
»Wirklich?« Er schaute sie durchdringend an – als wisse er etwas über sie, das ihr selbst nicht bewusst war. Ein weiterer Notfallwagen sauste vorbei, und diesmal sah Lucas kurz auf. »Inzwischen weiß er ja wohl von meiner Existenz. Weiß er auch, dass du gerade in Budapest bist? Weiß er, was du hier machst?«
Sie antwortete nicht, weil sie genau wusste, welche Rückschlüsse er daraus ziehen musste. Sicher, sie hatte Lucas in ihren Gesprächen mit Simon niemals erwähnt, aber nicht etwa, weil sie Simon misstraute. Sie war sich inzwischen nicht einmal sicher, warum sie überhaupt ein Geheimnis aus ihm gemacht hatte. Die einzig plausible Erklärung war, dass sie die Rache als ihre persönliche Mission sah. Sie wollte unter allen Umständen verhindern, dass man ihr das Einzige, was sie für ihre Familie noch tun konnte, aus der Hand nahm.
Da er spürte, wie aufgeregt sie war, bemühte sich Lucas um einen versöhnlicheren Ton. »Ich behaupte ja gar nicht, dass es tatsächlich dein Onkel war. Ich möchte nur, dass dir nichts zustößt und dass du auf alle Eventualitäten vorbereitet bist. Wenn wir mehr wissen, kannst du ihn immer noch über alles informieren. Aber in der Zwischenzeit solltest du so tun,
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