Das Fluestern des Todes
Computer-Sicherheit zuständig. Aber eins nach dem anderen. Jim, erzähl Ella doch zunächst einmal, wie du den Job bekommen hast.«
Jim räusperte sich. »Klar, natürlich. In dem Sommer, als ich meinen College-Abschluss gemacht habe – ist schon ein paar Jahre her –, flog ich von Chicago zurück nach Hause. Ich wollte meinen Vater besuchen. Jedenfalls war mein Flieger überfüllt, also setzten sie mich in die nächste Maschine und gaben mir ein Upgrade in die erste Klasse. So lernte ich Ihren Vater kennen, der saß nämlich neben mir.«
»Meinen Vater?« Dass ein Unbekannter ihn gekannt hatte, erfüllte sie irgendwie mit Trauer.
»Genau. Wir haben uns praktisch die ganze Zeit unterhalten, vorwiegend über Computer, das Internet, Sicherheitsmaßnahmen. Ich erzählte ihm von den Hacker-Aktivitäten auf dem College. Speziell daran war er ungemein interessiert. Als wir landeten, bot er mir einen Job an. Ich konnte mein Glück nicht fassen: ein cooler Job, gutes Geld – nur weil ich mich mit einem Typen im Flugzeug unterhalten hatte. Ich hab ihn danach nur noch ein paarmal getroffen, aber er war immer daran interessiert, was ich so machte – nicht nur in meinem Job, sondern überhaupt in meinem Leben. Er war ein cooler Bursche. Es tut mir wirklich leid, dass er tot ist.«
»Danke.« Sie war den Tränen nahe, weil sie daran erinnert wurde, was für ein liebenswürdiger Mann ihr Vater gewesen war.
Dan rutschte auf seinem Sitz nach vor. »Natürlich könnte sich Jim diese Geschichte ausgedacht haben, aber eine andere Person bei Larsen Grohl hat sie indirekt bestätigt. Und davon abgesehen: Ich hätte es schon spitzgekriegt, wenn er mich angelogen hätte.«
»Genau wie ich«, sagte Ella. »Wie geht die Geschichte denn weiter?«
»Ich hab ihm die Information gegeben, die ich von Lucas habe, und fragte ihn, ob er damit was anfangen kann«, sagte Dan.
Er machte eine Handbewegung zu Jim hinüber, der zögernd mit seinem Bericht fortfuhr. »Ja, das fragliche Nummernkonto lief unter der Bezeichnung ›Externe Beziehungen‹.«
»Was bedeutet das?«
»Weiß ich nicht. Das war einfach der Name, der dort eingetragen war. Die einzigen Personen, die Zugang zum Konto hatten, waren Ihr Vater und Ihr Onkel. Ich habe dann ohne Erlaubnis etwas herumgeschnüffelt – was ich normalerweise natürlich nie tun würde.« Sie wischte seine Besorgnis mit einer Handbewegung beiseite. »Ihr Vater war derjenige, der das Konto regelmäßig nutzte. Im letzten Jahr tätigte er beispielsweise fünf Überweisungen, dann noch einmal eine im Januar dieses Jahres. Ihr Onkel hatte es seit achtzehn Monaten nicht benutzt, aber im Juni dieses Jahres machte er dann zwei Überweisungen.«
Die Worte trafen sie wie ein Schlag ins Gesicht.
»Ist es möglich, dass jemand so getan hat, als wäre er mein Onkel?«
»Theoretisch ja. Ich hätte es machen können, ein paar andere Leute auch – wenn sie denn das Risiko auf sich genommen hätten, entdeckt zu werden. Mit anderen Worten: nein.«
Sie schaute fragend zu Dan. »Kennt er die Hintergründe?«
»In Grundzügen – ja.«
»Dann ist Ihnen also klar, dass Sie mir letztlich mitteilen, dass mein Onkel meine Familie umgebracht hat?«
»Sieht jedenfalls ganz danach aus.« Er war drauf und dran, noch etwas zu sagen, zögerte, nahm dann aber allen Mut zusammen. »Ihr Vater und Ihr Onkel schienen gut miteinander klarzukommen, aber Ihr Onkel war eigentlich immer nur der Handlanger. Bei LG hieß es, dass er darüber verärgert gewesen war, weil er sich zu Höherem berufen fühlte.« Jims Zweifel, die ihm wohl gerade auf der Zunge gelegen hatten, meldeten sich dann doch noch zu Wort, denn er beeilte sich anzufügen: »Das erklärt natürlich gar nichts. Ich mag meinen Bruder auch nicht, aber ich würde ihn deswegen nicht umbringen. Im Gegenteil: Ich würde für ihn sogar mein Leben aufs Spiel setzen.«
Ella nickte. Sie hatte von einem gestörten Verhältnis zwischen Simon und ihrem Vater nie etwas bemerkt, andererseits hatte sie in zwanzig Jahren nichts von ihren Geheimnissen mitbekommen, von ihren Geschäften, von ihrem Reichtum – und wie sie zu diesem Reichtum gekommen waren.
Sie musste an Ben denken und fragte sich, ob er sie wohl auch gehasst hatte. Es war vielleicht das natürliche Anrecht des Nachgeborenen, dem Erstgeborenen zu grollen – allein weil er der Erste war und die Freiheit und andere Privilegien vor ihm genießen konnte. Sie wünschte sich, sie hätte in den letzten Jahren mehr Zeit
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