Das Flüstern des Windes (German Edition)
ein Krüppel. Sein Name war vergessen und andere stritten um den Ruhm, aber er hatte es nicht schlecht getroffen. Obwohl dem Kaiser die Gladiatorenschule gehörte, ließ er doch Pinius vollkommen freie Hand bei der Ausbildung der Männer, und durch den Erfolg seiner Schüler hatte es Pinius sogar zu einem bescheidenen Wohlstand gebracht.
Er merkte, wie seine Gedanken weiter abschweifen wollten, und rief sich zur Ordnung. Karem, Kulan, Masak und Threm brauchten jetzt seine ganze Aufmerksamkeit. Mit Rao und Hersan hatte er schon vor einer Stunde gesprochen.
»Seid ihr bereit?«, fragte er und blickte in die Runde.
Niemand lächelte, alle nickten stumm. Die Anspannung hatte ihre Gesichter zu eisernen Masken werden lassen. Nicht einmal Masak war nach Späßen zumute.
»Zuerst sind Rao und Hersan dran. Die Gruppenkämpfe beginnen erst, wenn alle Einzelkämpfe des Tages beendet sind. Sie wollen dreimal hintereinander zehn Paare in die Arena schicken. Es wird also eine Weile dauern bis ...«
Fanfarenklang unterbrach ihn. Draußen brandete Jubel auf.
»Der Imperator ist eingetroffen und hat seinen Platz eingenommen. Normalerweise erscheint er erst zu den Gruppen- und den Tierkämpfen, aber heute sollen der Verräter General Arsenius und seine Verbündeten in der Arena gekreuzigt und verbrannt werden. Die Holzbalken stehen schon, nicht mehr lange und die Hinrichtungen beginnen.«
Karem musste an Luvon, den Sohn des Farcellus denken. Ob auch er heute am Kreuz sterben würde?
Gelächter und Gegröle drang von draußen herein. Peitschenhiebe waren zu hören. Die Gladiatoren im Raum stürmten zu den vergitterten Fenstern, die einen schmalen Ausblick auf das Geschehen in der Arena boten.
Zwölf Männer wurden gefesselt über den Sandplatz vor die Empore des Kaisers geführt, wo die Wächter sie zwangen niederzuknien. Obwohl Karem freie Sicht hatte, konnte er nicht sagen, ob Luvon dabei war. Die Tribüne, vor der die Männer knieten, war auf der gegenüberliegenden Seite der Arena und die weißgekleideten Gefangenen zeigten ihm den Rücken.
Der Imperator schien ein Zeichen gegeben zu haben, denn die Verurteilten wurden zu den Kreuzen geschleppt und festgebunden. Ein maskierter Mann im Narrenkostüm übergoss sie mit Öl. Im Coloseum herrschte Totenstille, als eine Priesterin des Jupiters in scharlachrotem Gewand mit einer brennenden Fackel in der Hand auf die Gefangenen zuschritt und die Kreuze nacheinander entzündete.
Die Flammen loderten in rasender Geschwindigkeit an den gefesselten Männern hoch, bis außer Feuerzungen nichts mehr von ihnen zu sehen war. Schwarzer, qualmender Rauch breitete sich in der Arena aus, bevor ein aufkommender Windstoß die Schwaden teilte und aus dem Stadion trieb. Die Gefangenen starben schweigend. Keiner schrie, aber diese unnatürliche Stille, während Menschen einen grausamen Tod erlitten, gellte in Karems Ohren.
Eine Hand fasste ihn an der Schulter und zog ihn vom Fenster weg. Karem sah in Pinius Augen einen feuchten Schimmer.
»Ich kannte Arsenius, er war ein großer Mann und ein großer Krieger. Diese Art zu sterben, hatte er nicht verdient.« Draußen begann die Menge begeistert zu klatschen, als das erste Holzkreuz in sich zusammenfiel. »Cassius ist ein schlauer Fuchs. Jahrelang hat er den Senat, der ihn gewählt hatte, glauben lassen, er sei schwach und unfähig, die richtigen Entscheidungen zu treffen, dabei hat er die ganze Zeit nur auf eine Gelegenheit gewartet, den Senat aufzulösen, um seinen Machtanspruch auf ewig abzusichern.«
Karem schwieg zu allem. Ihn bewegte eine andere Frage.
»Pinius?«
»Ja?«
»Die Mädchen, die du uns gestern gebracht hast, woher kamen die?«
Der Ausbilder schmunzelte. »Ein alter Kampfgefährte von mir führt ein Freudenhaus und er war mir noch einen Gefallen schuldig. Ich habe ihm vor Jahren in der Arena das Leben gerettet und dabei meine Hand verloren.« Er hob den Armstumpf an.
»Eines der Mädchen hat es mir besonders angetan.«
»Welche?«
»Die mit den braunen Haaren. Ihr Name ist Lelina.«
Pinius pfiff leise durch die Zähne. »Ja, Lelina ist etwas ganz Besonderes. Sie hat darauf gedrängt, mitgehen zu dürfen, als sie hörte, dass einer der Gladiatoren von Thuur stammt.«
»Sie kommt aus Thuur?«, fragte Karem entsetzt nach. Die Welt begann, sich um ihn zu drehen.
»Ja! Hat sie dir das nicht gesagt? Sie kamen mit dem gleichen Luftschiff nach Omrak wie dein riesiger Freund dort drüben in der Ecke.«
»Aber ... aber ... ich
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