Das Flüstern des Windes (German Edition)
zur Verteidigung eingesetzt werden.
»Threm?« Der Gerufene wandte sich um und bekam einen Hieb mit dem Holzschwert gegen die Schläfe. »Verdammt!«, wütete Pinius. »Kannst du nicht auf meine Befehle hören, ohne jedes Mal den Kopf zu drehen?«
Karem und der Ork stürmten gleichzeitig vorwärts. Beide landeten Treffer beim Gegner.
»Sehr gut!«, rief der Ausbilder hinüber. »Hamrabi, wäre das eine echte Axt gewesen, dann hättest du jetzt eine Schulter weniger.«
Noch eine Weile klapperten die Holzwaffen, dann rief Pinius sie zu sich in den Schatten. Die schwitzenden Hilfsausbilder gingen zum Wasserfass, während die künftigen Gladiatoren sich keuchend auf der Veranda zu Boden fallen ließen.
Pinius musterte sie schweigend. Seine Schüler machten gute Fortschritte. Er war zufrieden mit ihnen, aber das ließ er sich nicht anmerken. Sie sollten nicht übermütig werden. Es blieb nur noch wenig Zeit, und er nahm sich vor, sie noch härter anzutreiben.
»Ihr müsst lernen, als Gruppe zu denken. Nur gemeinsam seid ihr stark. Aber sobald es ein wenig hektisch wird, zerfallt ihr wieder in lauter Einzelkämpfer, die viel leichter auszuschalten sind.«
Er zog aus einer Tasche seines Gewandes eine Lederschnur hervor und gab sie Karem. »Los, zerreiß diese Schnur!«, befahl er.
Karem hatte keinerlei Mühe damit. Alle starrten auf die zwei Teile, keiner verstand, was ihnen Pinius damit zeigen wollte.
Pinius lächelte bloß. Er griff erneut in die Tasche seines Gewandes. Diesmal kramte er einen aus fünf Schnüren geflochtenen Lederriemen hervor. »So und jetzt versuch das Gleiche noch einmal.«
Karem zog mit aller Kraft, aber der Lederriemen widerstand ihm.
»Ihr müsst wie dieser Riemen sein!«, meinte Pinius ernst. »Für sich allein ist jeder schwach, aber gemeinsam könnt ihr den Sieg erringen.« Der Ausbilder musterte seine Schüler. Ja, dachte er, diesmal haben sie es begriffen. »So nun geht, und übt weiter.« Er wandte sich an Karem. »Bleib bitte noch für einen Moment bei mir.«
Als die anderen zurück in den Hof gegangen waren, wandte sich Pinius wieder an Karem. »Ich habe dich beobachtet. Du machst Fortschritte, seitdem du die rechte Hand benutzt. Deine Finger haben die nötige Kraft entwickelt, jetzt müssen wir daran gehen, die Beweglichkeit in deinem Handgelenk zu steigern. Sieh her!«
Pinius nahm eine ellenlange Schnur, an deren Ende eine pfirsichgroße Eisenkugel befestigt war. Sein Handgelenk begann, sich in kleinen Kreisen zu drehen, während die Schnur die Bewegung auf die Kugel übertrug, die eine liegende Acht in der Luft beschrieb. Immer schneller wurde das Übungsgerät, bis die Kugel nur noch ein wirbelnder Schimmer war.
Karem staunte. Das Handgelenk des Ausbilders hatte sich nicht wesentlich schneller bewegt, während die Eisenkugel ihre Geschwindigkeit ständig gesteigert hatte.
Pinius sah die Verblüffung in Karems Gesicht.
»Es ist das gleiche Prinzip wie beim Schwertkampf. Die Kraft kommt nicht aus dem Arm, sondern aus dem Handgelenk. Eine kleine Bewegung nur, und dein Gegner sinkt aufgeschlitzt zu Boden. Ab heute brauchst du nicht mehr den Lederball kneten. Übe jetzt mit der Kugel in deiner Freizeit. So und nun geh zu den anderen. Wir haben noch viel Arbeit vor uns!«
Karem, Masak, Kulan, Threm und der Ork waren nun schon über ein Jahr in der Gladiatorenschule. Bis auf Rao und Hersan, die auch weiterhin den Einzelkampf erlernten, hatten die anderen schon mehrfach die Unterkunft gewechselt und bewohnten jetzt ein kleineres, aber besser ausgestattetes Gebäude, wie es ihnen als Gladiatoren des vierten Ranges zustand.
In dem Schlafsaal waren die Liegen durch an der Decke angebrachte Tücher voneinander abgetrennt, so dass jeder nachts die Ruhe und Abgeschiedenheit fand, die nötig war, um sich nach einem anstrengenden Tag zu entspannen.
Viele neue Rekruten waren inzwischen eingetroffen, aber meist hatten sie keinen Kontakt zu den Männern, die abgesondert von ihnen in einem anderen Teil des Hofes trainierten.
Ihre kleine Gruppe war zusammengeblieben. Jeder von ihnen hatte die Ausbildung zu Pinius’ Zufriedenheit absolviert.
Der letzte Abend vor dem Beginn des großen Herbstturniers war gekommen, morgen würde sich in der Arena zeigen, was ihre Ausbildung wert war.
Pinius hatte sie am letzten Tag geschont und nur noch einzelne taktische Manöver mit ihnen durchgesprochen. Draußen ging langsam die Sonne unter und die fernen Geräusche der in der Kühle des Abends
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