Das Flüstern des Windes (German Edition)
Karems Körper, als er die tonlose Stimme des Kalfaktors vernahm.
»Ich sage alles, was du willst«, presste Karem zwischen seinen geplatzten Lippen hervor.
»Habe ich dir eine Frage gestellt? Nein, ich habe dir keine Frage gestellt. Soweit sind wir noch nicht.«
»Bitte ...«
Karem konnte den fauligen Atem des Folterers wahrnehmen, als sich dieser vorbeugte und ihm flüsternd zuraunte: »Stirb nicht! Bitte, stirb noch nicht! Es gibt noch so viele Dinge, die ich mit dir anstellen möchte.«
Ihm wurde ein Lederknebel in den Mund gesteckt, damit seine Schreie nicht die anderen Gefangenen in den nahe liegenden Zellenblöcken beunruhigen konnten.
Sramar kramte in einer alten Holzkiste. Befriedigt zog er ein seltsames, kupfernes Gerät daraus hervor. Es ähnelte einer Zange, nur dass spiralenförmig gewundene Metallstachel an beiden Enden befestigt waren. Der Kalfaktor lächelte breit und glücklich.
»Wir werden eine Menge Spaß haben!«, brummte er fröhlich.
Karem zerrte an seinen Fesseln, als Sramar auf ihn zukam, aber es gab kein Entkommen, keine Gnade und keine Erleichterung.
Feuriger Schmerz setzte seinen Körper in Flammen. Sramar gluckste leise vor sich hin. Ihm stand ein sehr angenehmer Nachmittag bevor.
Vielleicht würde ihn die ganze Sache so in Erregung versetzen, dass er sich später noch ein wenig mit einer der weiblichen Gefangenen vergnügen würde.
Lächelnd drückte er die Griffe seines Folterinstrumentes weiter zusammen.
»Das glaube ich nicht!« Sara stand mit vor Empörung glühenden Wangen vor dem Thron. »Karem wäre zu so einer Tat gar nicht fähig.«
Der König lächelte amüsiert über die Naivität der Jugend.
»Du kennst diesen Burschen erst seit wenigen Tagen, aber du weißt schon alles über ihn. Interessant!«
Sara spürte, dass er sich über sie lustig machte. Wut durchströmte ihren Körper, während sie den beißenden Spott ihres Onkels hinnehmen musste.
Canai saß entspannt in dem großen Thron. Sein Rücken lehnte gegen die hohe Lehne. Die Hände hatte er vor dem Bauch gefaltet.
»Lass dir von jemandem sagen, der im Leben schon wesentlich mehr Überraschungen erlebt hat, dass man in niemanden hinsehen kann und dass jeder irgendwo in seiner Seele eine dunkle Stelle hütet, die nur darauf lauert, ans Tageslicht zu kommen.«
»Aber er hat mein Leben gerettet!«, entgegnete Sara aufgebracht. »Wie kannst du ihn in den Kerker werfen lassen?«
»Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen? Ihn mit dem gestohlenen Armband aus der Burg reiten lassen? Weißt du, wie ich vor dem Hofadel dastehe? Ich will es dir sagen, auf meinem Fest wurde einer meiner Gäste bestohlen. Es gibt schon genug Gerüchte um unser Haus. Wir können uns weitere Vorwürfe, seien sie nun berechtigt oder nicht, kaum leisten. Im Rat der Fürsten schürt dein Schwager Ronder, der Fürst von Melwar, den Unmut der ewig Unzufriedenen gegen mich. Hätte ich diesem Hund doch nie erlaubt, deine Schwester zu heiraten, aber ich dachte, so eine Verbindung würde ihn unserem Haus näher bringen. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Wie ich höre, ist deine Schwester nicht untätig und unterstützt ihn bei diesem Frevel auch noch. Und da glaubst du, ich kann es mir erlauben, Gnade mit einem daher gelaufenen Dieb zu zeigen?«
Saras Hände öffneten und schlossen sich krampfhaft, während sie nach den richtigen Worten suchte.
»Aber es ist doch gar nicht bewiesen, das Karem der Dieb war!«
Canai machte eine Handbewegung, und sein Berater Heidar trat vor.
»Prinzessin, es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber es ist bewiesen. Der junge Mann hat vor einer Stunde seine schändliche Tat gestanden. Ich war selbst zugegen, als er sein Gewissen erleichtert hat.«
Aus Saras Gesicht war jede Farbe gewichen. Ihre Mundwinkel zuckten unkontrolliert. Sie versuchte, die aufkommenden Tränen zurückzuhalten, aber es gelang ihr nicht.
»Er ... er hat gestanden?«, stammelte sie.
»Ja!« Die Stimme des Königs richtete auch sie unbarmherzig. »Und ich möchte, dass du jetzt auf dein Zimmer gehst und diese ganze leidige Angelegenheit vergisst!«
»Aber was ist mit Karem? Welche Strafe hat er zu erwarten?«
»Er wird hingerichtet!«
»Hingerichtet«, wiederholte Sara fassungslos. »Aber ...«
»Nein! Nichts mehr ‘aber’! Du gehst jetzt auf dein Zimmer! Sofort!«, brüllte der König.
Sara zitterte am ganzen Leib, als sie den Thronsaal verließ. Ihre taumelnden Gedanken kreisten immer wieder um das
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