Das Flüstern des Windes (German Edition)
gleiche Wort.
Hingerichtet.
»Prinzessin, es tut mir leid, aber das kann ich nicht tun! Es würde mich den Kopf kosten!«, winselte Sramar.
Sara stand vor dem riesigen Kalfaktor. Sie musste den Nacken in den Kopf legen, um in sein Gesicht blicken zu können. Der Abend war hereingebrochen, aber hier unten in den Gängen des Verlieses herrschte stetige Finsternis, die nur vom Schein der an den Wänden angebrachten Fackeln unterbrochen wurde. Außerdem war es feucht und kalt. Sie fröstelte, versuchte aber, es sich nicht anmerken zu lassen.
Die groben Wände waren mit Moos bewachsen, die Stufen glitschig. Ihr schauderte bei dem Gedanken, dass hier unten Menschen gefangen gehalten wurden. Ein leises Wimmern, wie von einem verletzten Tier schallte durch den Gang und verlor sich schließlich in der Weite des Verlieses.
Sara hielt dem Kalfaktor noch einmal die kostbare Perlenkette, ein Erbstück ihrer verstorbenen Mutter, vor das Gesicht. Sie konnte die Gier in seinen Augen aufblitzen sehen, aber noch hatte die Furcht vor dem König ihn fest im Griff.
»Diese Kette ist sehr wertvoll, Sramar. Du könntest den Rest deines Lebens in Wohlstand und Luxus verbringen. Denk noch einmal darüber nach! Hier unten bist du ein Diener, nichts anderes als ein weiterer Gefangener meines Onkels, aber mit dieser Kette könntest du deinem Schicksal entfliehen. Du könntest selbst ein vornehmer Herr werden«, drang sie auf ihn ein.
Sramar verlagerte unsicher sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen.
»Wenn man uns erwischt, werdet Ihr in Eurem Zimmer eingesperrt, mich aber wird man vierteilen!«, gab er zu bedenken.
»Im Leben gibt es immer einen Punkt, an dem man sich entscheiden muss. Nichts ist ohne Risiko, aber der Preis ist das Wagnis wert!«
»Also gut!«, gab er nach. »Ich werde Euch zu ihm führen. Anschließend mache ich meinen Rundgang, der sehr lange dauern kann. Ich werde die Zelle nicht verschließen, aber Ihr müsst mit ihm verschwunden sein, bis ich zurück bin. Ihr habt ungefähr zwei Stunden Zeit für eure Flucht, danach werde ich Alarm geben.«
»Und du willst wirklich nicht mit uns fliehen?«
»Nein, Herrin! Seht mich an! Ihr könnt Euch und ihn verkleiden, aber was immer ich mir anziehe, meine Größe und Statur wird mich verraten. Ich werde aussagen, dass Ihr behauptet habt, dass der König Euch die Erlaubnis gab, den Gefangenen zu besuchen. Dass Ihr ihm zur Flucht verhelfen wolltet, konnte ich schließlich nicht ahnen. Ich bin nur ein dummer Wärter, dem es nicht zusteht, solche Gedanken über eine Prinzessin zu hegen.«
Sie reichte ihm die Perlenkette, die blitzschnell in einer Tasche seines Mantels verschwand.
»Warte ein paar Monate, bis du die Kette versetzt!«
»So dumm bin ich nun auch wieder nicht!«, erklärte er grinsend. »Mein Schwager Farges ist reisender Kaufmann. Er wird den Schmuck in einer weit entfernten Stadt verkaufen.«
Er nahm einen großen Schlüsselbund von seinem Gürtel und bedeutete ihr, ihm zu folgen.
Sie gingen durch einen langen Gang tiefer in die unterirdischen Katakomben des Verlieses hinein. Sramar hielt eine Fackel vor sich, während Sara dicht hinter ihm blieb. Mehrmals musste der Kalfaktor den Kopf einziehen, wenn ohne ersichtlichen Grund die Decke niedriger wurde. Die Feuchtigkeit des Gewölbes legte sich schwer auf Saras Lungen, die sich gegen den Modergestank einen Teil ihres Ärmels vor das Gesicht drückte.
Vor einer hölzernen, halbrunden Tür blieb der Wärter stehen. Mit einem Knirschen bewegte der Schlüssel den Schließmechanismus, und die Tür schwang ächzend auf.
Karem lag auf einem verfaulten Strohbündel. Er war wach. Sara konnte sehen, dass die Kälte ihn zittern ließ. Seine Kleider waren zerfetzt. Der größte Teil seines Körpers war mit Schrammen oder verkrusteten Wunden übersät. Das Gesicht war so verschwollen, dass sie Schwierigkeiten hatte, den jungen Mann darin zu erkennen, der ihr vor wenigen Tagen das Leben gerettet hatte. Er blinzelte heftig. Tränen liefen über sein Gesicht, als der Lichtschein der Fackel auf ihn fiel.
Als Sara ihn in seinem erbarmungswürdigen Zustand sah, schnürte es ihr die Kehle zu. Entsetzt wechselte ihr Blick von Karem zu dem Mann, der ihm das alles angetan hatte. Sramar erwiderte diesen Blick ungerührt.
»Wir konntest du nur?«, zischte sie den Kalfaktor böse an.
»Der König gab mir den Befehl.« Es lag kein Bedauern in diesen Worten.
»Scher dich fort!«
Sramar reichte ihr die Fackel. Wortlos
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