Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Flüstern des Windes (German Edition)

Das Flüstern des Windes (German Edition)

Titel: Das Flüstern des Windes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
Vom Netzwerk:
ist richtig, Sire. Es waren seine letzten Worte«, stimmte der Berater zu.
    »Du siehst also ...« Canai machte eine unbestimmte Handbewegung, die den ganzen Raum einschloss. »Außer dir glaubt niemand daran.«
    Saras Gesicht hatte eine beschämte Röte angenommen. Sie fühlte sich gedemütigt und lächerlich gemacht. Sie war, als ihr Vater damals gestorben war, zwar erst vier Jahre alt gewesen, aber sein gütiges Gesicht stand noch heute vor ihrem geistigen Auge. Karem sah ihm mehr als nur ein bisschen ähnlich. Die Ähnlichkeit beruhte auch weniger auf dem äußeren Erscheinungsbild, sondern lag vielmehr im gleichen Mienenspiel und in der Art, sich zu bewegen. So eine Übereinstimmung, wenn man dabei auch noch den körperlichen Makel bedachte, konnte kein Zufall sein oder mit einer entfernten Verwandtschaft abgetan werden.
    Aus irgendeinem Grund wollte ihr Onkel die Wahrheit nicht erkennen.
    »Aus Anlass deiner sicheren Rückkehr werde ich heute Abend ein feierliches Mahl bereiten lassen«, riss sie der König aus ihren Gedanken. »Der ganze Hof wird zugegen sein. Also bitte sei pünktlich! Du darfst dich jetzt zurückziehen. Sorge bitte dafür, dass dein Retter angemessen untergebracht wird. Auch ihn erwarte ich, heute Abend zu sehen.«
    Mit diesen Worten wurden Karem und Sara entlassen.
    Als sie gegangen waren, wandte sich Heidar an seinen König.
    »Er könnte tatsächlich der vermisste Thronerbe sein!«
    »Ja!« Canai lächelte freudlos. »Und genau deswegen muss er sterben!«
     
    Das Festessen war vorüber, und die Hofmusiker begannen, zum Tanz aufzuspielen. Karem schob seinen fast noch gefüllten Teller, auf dem sich knusprig gebratenes Geflügel, gebackener Fisch und gespicktes Wild befanden, von sich. Er hatte kaum einen Bissen zu sich genommen.
    Hier unter den vornehm gekleideten Menschen des Hofadels wurde ihm seine Unzulänglichkeit nur allzu bewusst. In der Sklaverei hatte er zum Essen nur einen Löffel benutzt. Da seine Mahlzeiten meist aus Hirsebrei bestanden hatten, war ihm die Tatsache, dass man neben einem Messer auch noch eine Gabel zum Aufspießen der Fleischstücke verwenden konnte, vollkommen fremd.
    Er hatte versucht, durch Beobachtung von den anderen Teilnehmern des Abendmahles zu lernen, sich aber dabei so ungeschickt angestellt, dass das Fleisch vom Teller rutschte, was gut gemeintes, aber trotzdem verletzendes Gelächter der anderen Gäste am Tisch zur Folge hatte. Nach fünf Versuchen hatte er es aufgegeben und die neugierigen Fragen einer dicklichen, alten Frau mit Doppelkinn in einem viel zu engen Kleid beantwortet, die zwischen den Worten schnaufend ganze Berge von Essen verdrückte.
    Sara saß auf der ihm gegenüberliegenden Seite. Ein vornehm gekleideter Kaufmann in mittleren Jahren saß neben ihr und hatte Probleme, seine Augen von ihrem großzügig ausgeschnittenen Kleid zu nehmen, das ihren vollendeten Busen mehr betonte als bedeckte.
    Der König hatte am oberen Tischende Platz genommen. Karem bemerkte immer wieder, dass der Herrscher ihn heimlich beobachtete. Als er ihm bei einem erneuten Blickkontakt zulächelte, wandte Canai abrupt den Kopf ab und vertiefte sich in ein Gespräch mit seinem Berater.
    Die Musik wurde fordernder. Die ersten Gäste erhoben sich von ihren Plätzen und begannen zu tanzen. Sara wurde von dem Kaufmann aufgefordert, schlug aber sein Angebot aus, stattdessen kam sie zu Karem herübergeschlendert.
    Karem erhob sich höflich. Innerlich betete er verzweifelt, dass Sara nicht nach Tanzen zumute war, denn er fand, dass er sich für einen Tag genug blamiert hatte.
    »Komm mit!«, flüsterte sie ihm unauffällig zu. Ohne seine Reaktion abzuwarten, wandte sie sich um und durchschritt den großen Saal, den sie durch eines der offen stehenden Tore verließ. Karem folgte ihr in den Gang hinaus.
    Im Gegensatz zum hell erleuchteten Saal herrschte hier ein Halbdunkel, das nur von flackernden Fackeln unterbrochen wurde. Der tanzende Lichtschein schuf groteske Wesen aus ihren Schatten, als sie dem Gang folgten. Sara presste den Zeigefinger auf ihre Lippen, um ihm zu signalisieren, er möge sich leise verhalten.
    Über eine breite Treppe aus Marmorstein gelangten sie auf ein höheres Stockwerk. Waffen in großer Vielfalt hingen an den Wänden, dazwischen waren Porträts früherer denanischer Herrscher aufgehängt. Ohne zu zögern, ging Sara zu einer brennenden Fackel und nahm sie aus der Halterung. Sie schritt vor ein besonders beeindruckendes Gemälde und hielt die

Weitere Kostenlose Bücher