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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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enthielt Gedanken, die später von Plato und Jesus geäußert wurden.«
    »Wieso später? Genauso hat auch Bramanti über den Freimaurer Dante argumentiert. Wenn das Corpus die Ideen von Plato und Jesus wiederholt, muß es doch nach ihnen geschrieben worden sein!«
    »Sehen Sie? Auch Sie denken so. In der Tat war dies die Argumentation der modernen Philologen, die ihr noch lang-atmige Sprachanalysen hinzufügten, um zu zeigen, daß das Corpus zwischen dem zweiten und dritten Jahrhundert unserer Ära entstanden sein müsse. Als wollte man sagen, Kas-sandra müsse nach Homer geboren sein, weil sie bereits wußte, daß Troja zerstört werden würde. Es ist eine moderne Illusion zu glauben, die Zeit sei eine lineare und zielge-richtete Abfolge, die von A nach B geht. Sie kann auch von B
    nach A gehen, und die Wirkung kann die Ursache hervorrufen... Was heißt vorher und nachher? Kommt Ihre wunderschöne Amparo vor oder nach ihren verworrenen Ahnen?
    Sie ist zu fabelhaft — wenn Sie einem, der ihr Vater sein könnte, ein unvoreingenommenes Urteil erlauben. Also kommt sie vorher. Sie ist der geheimnisvolle Ursprung all dessen, was zu ihrer Erschaffung beigetragen hat.«
    »Aber an diesem Punkt...«
    »Das Falsche ist genau der Begriff ›dieser Punkt‹, mein Freund. Die Punkte sind von der Wissenschaft gesetzt worden, nach Parmenides, um zu bestimmen, von wo nach wo sich etwas bewegt. Nichts bewegt sich, und es gibt nur einen einzigen Punkt, den Urpunkt, aus welchem in einem einzi-246
    gen Augenblick alle anderen Punkte entstehen. Die Naivität der Okkultisten des neunzehnten Jahrhunderts — und derjenigen unserer Zeit — ist, daß sie die Wahrheit der Wahrheit mit den Methoden der wissenschaftlichen Lüge beweisen wollen. Man muß nicht nach der Logik der Zeit räsonieren, sondern nach der Logik der Tradition. Alle Zeiten symbolisieren einander, und folglich gibt es und gab es den unsichtbaren Tempel der Rosenkreuzer zu jeder Zeit, unabhängig von den Strömungen der Geschichte, eurer Geschichte. Die Zeit der letzten Offenbarung ist nicht die Zeit der Uhren.
    Ihre Zusammenhänge bestimmen sich in der Zeit der ›subtilen Geschichte‹, in der das Vorher und Nachher der Wissenschaften recht wenig zählen.«
    »Aber dann sind all diese Leute, die sich für die Ewigkeit der Rosenkreuzer stark machen...«
    »Szientistische Narren, denn sie versuchen zu beweisen, was man einfach wissen muß, ohne Beweis. Meinen Sie, daß die Gläubigen, die wir morgen abend sehen werden, all das beweisen können, was Kardec sie gelehrt hat? Sie wissen, weil sie zum Wissen bereit sind. Hätten wir alle uns diese Sensibilität für das Geheimnis bewahrt, wir wären geblendet von Offenbarungen. Es ist nicht nötig zu wollen, es genügt, sich bereit zu halten.«
    »Aber nun sagen Sie bitte, und entschuldigen Sie, wenn ich banal bin: Existieren die Rosenkreuzer oder nicht?«
    »Was heißt existieren?«
    »Sagen Sie’s.«
    »Die Große Weiße Bruderschaft, nennen Sie sie Rosenkreuzer, nennen Sie sie eine spirituelle Ritterschaft, von der die Templer eine vorübergehende Verkörperung waren, ist eine Schar von Weisen, von wenigen, sehr wenigen Auserwählten, die durch die Geschichte der Menschheit zieht, um einen Kern von ewiger Weisheit zu bewahren. Die Geschichte entwickelt sich nicht durch Zufall. Sie ist das Werk der Herren der Welt, denen nichts entgeht. Natürlich schützen sich diese Herren durch das Geheimnis. Und daher, wann immer sich jemand als Herr bezeichnet, oder als Rosenkreuzer oder als Templer, ist er ein Lügner. Die wahren Herren der Welt sind woanders zu suchen.«
    »Dann geht also diese Geschichte ewig weiter?«
    »So ist es. Und das ist die List der Herren.«
    247
    »Aber was wollen sie denn, daß die Leute wissen?«
    »Daß es ein Geheimnis gibt. Wozu sonst leben, wenn alles so wäre, wie es erscheint?«
    »Und was ist das Geheimnis?«
    »Das, was die Offenbarungsreligionen nicht zu sagen ge-wußt haben. Das Geheimnis ist jenseits.«
    248

33
    Les visions sont blanc, bleu, blanc rouge clair; enfin elles sont mixtes ou toutes blanches, cou-leur de flamme de bougie blanche, vous verrez
    des étincelles, vous sentirez la chair de poule partout votre corps, tout cela annonce le principe de la traction que la chose fait avec celui qui travaille. *
    Papus , Martines de Pasqually, Paris, Chamuel, 1895, p. 92
    Es kam der versprochene Abend. Wie in Salvador holte Agliè uns im Auto ab. Der Terreiro, in dem die Zeremonie oder gira

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