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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Der Marais ist das Viertel des Tempels und — welch ein Zufall! — auch das Viertel des jüdischen Ghettos! Mal ganz davon abgesehen, daß diese Pamphlete auch behaupten, die Rosenkreuzer stünden in Kontakt mit einer iberischen Kabbalistensekte, den Alum-brados! Vielleicht versuchen all diese Schmähschriften gegen die Rosenkreuzer, indem sie so tun, als ob sie die sechsunddreißig Unsichtbaren attackierten, in Wahrheit deren Identifikation zu beschleunigen... Gabriel Naudé, der Bibliothekar Richelieus, schreibt Instructions à la France sur la vérité de l’histoire des Frères de la Rose-Croix. Was für Instruktionen?
    Ist er ein Sprecher der Templer des dritten Kerns, ist er ein Abenteurer, der sich in ein fremdes Spiel einmischt? Einerseits scheint es, als wollte auch er die Rosenkreuzer als verrückt gewordene Teufelsanbeter hinstellen, andererseits macht er geheimnisvolle Andeutungen und sagt, es seien noch drei weitere rosenkreuzerische Kollegien zugange —
    und das würde ja stimmen, denn nach der dritten Gruppe kommen noch einmal drei. Er gibt Hinweise, die nahezu märchenhaft klingen (eins der Kollegien sei in Indien auf schwimmenden Inseln), aber er läßt auch durchblicken, daß eins der Kollegien sich in den Untergründen von Paris befinde.«
    »Und Sie glauben«, fragte Belbo, »das alles erkläre den Dreißigjährigen Krieg?«
    »Ohne jeden Zweifel«, sagte ich. »Richelieu hat spezielle Informationen von Naudé, er will in dieser Geschichte mit-mischen, aber er macht alles falsch, interveniert militärisch und trübt die Wasser nur noch mehr. Aber ich würde auch zwei andere Fakten nicht vernachlässigen. Erstens: 1619 tritt das Generalkapitel der Christusritter in Tomar zusammen, nach sechsundvierzig Jahren des Schweigens. Es war zuletzt 1573 zusammengetreten, wenige Jahre vor 1584, vermutlich 482
    um die Reise nach Paris zusammen mit den Engländern vorzubereiten, und nun tritt es nach der Geschichte mit den Rosenkreuzer-Manifesten erneut zusammen, um zu entscheiden, welche Linie man einschlagen soll, ob man sich der Operation der Engländer anschließen oder andere Wege probieren soll.«
    »Klar«, sagte Belbo, »inzwischen sind das alles ja Leute, die hilflos herumirren wie in einem Labyrinth. Die einen probieren diesen, die anderen jenen Weg, man lanciert Ge-rüchte, aber man kapiert nicht, ob die Antworten, die man hört, die Stimme von jemand anderem oder das Echo der eigenen Stimme sind... Alle tasten sich wie im Dunkeln voran. Und was machen derweil die Paulizianer und die Jerusalemer?«
    »Tja, wenn man das wüßte«, sagte Diotallevi. »Aber ich würde nicht außer acht lassen, daß es genau die Zeit ist, in der die lurianische Kabbala sich verbreitet und man anfängt, vom Bruch der Gefäße zu sprechen... Und zur selben Zeit kommt die Idee von der Torah als einer unvollständigen Botschaft auf. In einer chassidischen Schrift aus Polen heißt es: Wenn sich statt dessen ein anderes Geschehnis ereignet hätte, dann wären andere Buchstabenkombinationen daraus hervorgegangen... Eins ist jedenfalls klar: Den Kabbalisten gefällt es nicht, daß die Deutschen der Zeit vorgreifen wollten. Die richtige Ordnung und Abfolge der Torah ist verborgen geblieben, sie ist nur Ihm bekannt, dem Heiligen, Er sei gelobt.. Aber laßt mich hier keine Verrücktheiten sagen.
    Wenn auch die heilige Kabbala in den Großen Plan mit ein-bezogen wird...«
    »Wenn es den Großen Plan gibt, muß er alles mit einbezie-hen. Entweder er ist global, oder er erklärt gar nichts«, sagte Belbo. »Aber Casaubon hatte noch ein zweites Indiz angedeutet«
    »Ja. Sogar eine Reihe von Indizien. Noch ehe das Treffen von 1584 gescheitert war, hatte John Dee begonnen, sich mit kartographischen Studien zu beschäftigen und Schiffsexpe-ditionen zu propagieren. Und in Abstimmung mit wem? Mit Pedro Nuñez, dem Kosmographen des Königs von Portugal... John Dee beeinflußte die Entdeckungsreisen auf der Suche nach der Nordwestpassage, er investierte Geld in die Expedition eines gewissen Frobisher, der in die Nähe des 483
    Nordpols vordrang und mit einem Eskimo zurückkam, den alle für einen Mongolen hielten, er stachelte Sir Francis Drake auf und ermunterte ihn zu seiner Weltreise, er wollte, daß die Entdecker nach Osten segelten, weil der Osten der Anfang jeder okkulten Erkenntnis sei, und bei der Abfahrt von ich weiß nicht mehr welcher Expedition rief er die Engel an.«
    »Und was würde das bedeuten?«
    »Mir scheint, daß John

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