Das Frankenstein-Projekt (German Edition)
Schulter. »Und ich hab ihn auf der rechten Seite gesehen.«
»Das war der Blumenwagen«, sagte Renfield im Ton äußerster Gelassenheit. »Und er war nicht wirklich gelb, Monsieur. Es war eher ein sehr, sehr helles Grün. Mit einem leichten Stich ins Gelbliche. Vertrauen Sie mir. Da kann ich Sie beruhigen. Das war ganz sicher kein Postwagen.«
Mit einem resignierten Seufzer ließ sich Rains in den Sitz zurückfallen. »Höchstens eine halbe Stunde noch«, sagte er, »damit das klar ist. Dann gehen wir rein.«
Das alte Ding war ganz schön unhandlich. Adrian musste das Paket mit der rechten Hand auf dem Gepäckträger balancieren, während er das Gartentor mit der linken öffnete und das Fahrrad hindurchschob. Er gab dem Tor einen Stoß mit dem Fuß und es fiel scheppernd hinter ihm zu. Du meine Güte, hab ich einen Hunger, dachte er. Sein Magen schien ihm irgendwo auf Höhe seiner Fußknöchel zu hängen. Schon lange hatte er sich nicht mehr so sehr aufs Mittagessen gefreut. Sie mochte ihm zeitweise entsetzlich auf die Nerven gehen, aber wenn Tante Margret eines richtig gut konnte, dann war es Kochen.
Er schob sein Fahrrad unter die überdachte Veranda, klemmte sich das Paket unter den Arm und trug es zur Haustür, während er nebenbei in der Hosentasche nach seinem Schlüssel kramte. Verdammt! Die waren aber auch immer da, wo man nicht an sie rankam. Er musste das Paket ablegen, um in den anderen Taschen zu suchen. Er fand sie schließlich ganz unten in seinem Rucksack. Na endlich.
Er schloss auf, warf den Rucksack in der Garderobe auf den Boden, seine Jacke hinterher, und wandte sich wieder dem Paket zu, das er draußen vor der Haustür liegen gelassen hatte.
Warum zum Geier war es hier drinnen so dunkel? Und wo zum Teufel blieben die Hunde? Das war merkwürdig. Normalerweise bemerkten Otto und Qualle Adrian schon, wenn er nur das Grundstück betrat. Meist standen sie dann kläffend hinter der Haustür und stellten sich aufgeregt auf die Hinterbeine, die Vorderpfoten auf der Türklinke. Heute jedoch nicht. Sie kamen nicht mal jetzt angelaufen.
»Tante Margret?«, rief er zaghaft. »Ich bin wieder zurück!«
Nichts.
Vielleicht ist sie mit den Hunden spazieren gegangen, überlegte er, doch verwarf er den Gedanken gleich wieder. Nicht um diese Zeit. Seine Tante hielt sich strikt an ihren Zeitplan. Und der sah jetzt das Mittagessen vor.
In diesem Moment fiel Adrian auf, dass in der Küche zwar das Radio spielte, es aber überhaupt nicht nach Essen roch. Hoffentlich hat sie keinen Herzinfarkt oder Schlaganfall bekommen oder so was, dachte er in einem Anflug leiser Panik, während er langsam den Korridor entlang auf die Küchentür zuging. Selbst wenn er ihr manchmal die Pest an den Hals wünschte, ganz allein auf der Welt wollte er auch nicht dastehen.
»Tante Margret?«, rief er noch einmal. Wieder keine Antwort. Ein äußerst mulmiges Gefühl machte sich langsam in seiner Magengegend breit.
Irgendetwas stimmte hier nicht.
Nun komm mal langsam wieder runter, Adrian, sagte er sich. Sie hatte keinen Herzinfarkt. Und auch keinen Schlaganfall. Sie sitzt im Wohnzimmer und hört über Kopfhörer ihre alten Beatlesplatten, deswegen antwortet sie nicht. Und die Hunde wohl auch, was?, spottete die kalte Stimme des Verstandes in seinem Hinterkopf. Dann, kurz bevor Adrian die Wohnzimmertür erreichte, wurde er von hinten gepackt und eine nach Rasierwasser und Nikotin riechende Hand legte sich kräftig und unnachgiebig wie eine Stahlklammer auf seinen Mund. Panik stieg in ihm auf.
»Hör mir gut zu«, sagte der Mann, der ihn gepackt hatte, leise zu Adrian. »Mein Name ist Larry Talbot. Du brauchst keine Angst zu haben. Ich bin kein Einbrecher. Hast du das verstanden? Es ist wichtig, dass du mir vertraust. Ich muss uns hier rausbringen. Aber dafür brauche ich deine Hilfe. Also keinen Ton, wenn ich jetzt deinen Mund freigebe. Ist das klar?«
Adrian nickte.
Talbot lockerte den Griff allmählich. Schließlich nahm er die Hand ganz weg.
»Was tun Sie hier?« Adrian sah ihn voller Entsetzen an. »Und wo ist meine Tante?«
»Ich erzähle dir alles später.« Talbot hatte jetzt keine Zeit für lange Erklärungen. »Sprichst du Englisch, Junge?«, fragte er.
»Nicht besonders gut.«
»Okay, dann werde ich deutsch reden«, sagte er. »Was ist in dem Paket, das du da mitgebracht hast?«
»Bloß ein alter Koffer«, sagte Adrian.
»Jede Wette, dass du ihn bei eBay ersteigert hast.«
Adrian sah Talbot verwundert an.
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