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Das Frankenstein-Projekt (German Edition)

Das Frankenstein-Projekt (German Edition)

Titel: Das Frankenstein-Projekt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert C. Marley
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ihn nachts am Fußende meines Bettes stehen, die Hand auf seine klaffende Brust gelegt und mit einem Blick, der traurig und leer ist. Und oftmals beschleicht mich das schlechte Gewissen. Ich denke nicht, dass ich noch lange werde arbeiten können. Die Worte kommen nicht mehr so leicht wie früher. Es wird immer mühsamer. Mit meiner Gesundheit steht es auch nicht zum Besten. Letzten Winter nahm ich plötzlich den Geruch frisch gemähten Grases wahr. Und dann kamen die Kopfschmerzen. Die Ärzte sind natürlich ratlos und machen bloß lange Gesichter. Im Sommer fuhr ich noch ein letztes Mal nach Cologny, um der alten Zeiten willen. Byrons Villa war kaum verändert. Es hätte mich nicht gewundert, ihn jede Minute durch die Tür zum Garten hereinspazieren zu sehen. Der Salon war hergerichtet wie in jenem Sommer 1816, ehe Sie zu Ihrer Reise aufbrachen. Sie, der Sie mich vor so vielen Jahren als junge Frau kennengelernt haben, würden es nicht glauben, aber mit jedem Tag werde ich sentimentaler. Ich verbrachte drei volle Tage im Haus und ich habe nahezu die ganze Zeit über weinen müssen.
Den Schlüssel zu Ihrem Laboratorium habe ich dort in meinem alten Zimmer verborgen. Da gibt es einen losen Mauerstein, gleich beim ersten Fenster rechts. Er lässt sich mit etwas Geschick herausziehen. Sie erinnern sich bestimmt. Einen bemerkenswerten und mir in seiner Machart und Funktionsweise gänzlich unbekannten Gegenstand habe ich ebenfalls dort in der Wandnische hinterlegt: Es handelt sich um einen kleinen Apparat, der auf den ersten Blick an eine Pistole erinnert. Allerdings nur in seiner äußeren Form. Dieser Gegenstand ist erstaunlich schwer, messingfarben und hat drei kleine Schwungräder, die mit Pleuelstangen untereinander verbunden sind – genau wie bei einer Dampfmaschine. Am hinteren Ende, über dem Griff, der wohl aus schwarzem Ebenholz gefertigt ist, befindet sich eine kleine Kuppel aus Glas oder Bergkristall. Ich fand diese fein gearbeitete und eigentlich recht hübsch anzusehende Kuriosität unter Byrons Sachen. Ich hinterlasse sie Ihnen. Betrachten Sie es als sein Vermächtnis.
Meinen Anwalt habe ich angewiesen, den Koffer, in den ich nun Ihr Notizbuch, die Grundrisskarte des Laboratoriums und meine Briefe an Sie legen werde, für Sie aufzubewahren.
So bleibt mir nur noch, Ihnen von ganzem Herzen Lebewohl zu sagen, lieber Victor. Mögen wir uns in einer besseren Welt wiedersehen. Und möge Gott uns bis dahin gnädig sein.
     
Ihre M.W.S.
     
    »Wow! Und Sie haben mich allen Ernstes gefragt, warum mich der Koffer interessiert hat«, sagte Adrian, dem alle möglichen Fragen im Kopf herumgingen. »Da haben Sie es. Genau aus diesem Grund. Weil ich immer gehofft habe, eines Tages einmal etwas so Verrücktes zu entdecken.«
    Wenn Talbot überhaupt zugehört hatte, dann ging er nicht darauf ein. Mit nachdenklicher Miene faltete er die beiden Briefe wieder zusammen und legte sie mit der Kladde, in der sich Frankensteins Notizen befanden, in den Koffer zurück. Das also war das Geheimnis des Koffers! Wegen dieser Aufzeichnungen hatten zwei Menschen ihr Leben lassen müssen. Und ihm war noch etwas klar geworden: Irgendwie hatte die Agency ihre Finger im Spiel! Es lag an jenem Gegenstand, den Mary Shelley unter Byrons Nachlass gefunden und als sein »Vermächtnis« bezeichnet hatte. Talbot hegte kaum einen Zweifel daran, dass es sich dabei um einen sehr alten Watts Blaster handelte. Und wenn das stimmte, dann stellte sich die Frage, aus welchem Grund Lord Byron eine solche Waffe besessen hatte. War der Dichter 1823 womöglich im Auftrag der Agency nach Griechenland gegangen, um den Aufständischen gegen die Türken beizustehen? Mochte es sein, wie es wollte, für Talbot stand eines fest: Er musste die Gegenstände aus dem Versteck, von dem Mary Shelley sprach, unbedingt in seinen Besitz bringen, ehe ein anderer ihm zuvorkam.
    »Wir müssen verreisen«, sagte Talbot unvermittelt.
    »Verreisen?« Adrian glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. »Und wohin, wenn ich fragen darf?«
    »In die Schweiz«, erklärte Talbot, die geballten Fäuste gegen die immer stärker werdenden Kopfschmerzen auf die Schläfen gepresst. »Wir müssen unbedingt diese Villa finden, von der in dem Brief die Rede ist. Wir fahren, sobald es dunkel genug ist.« Er stand mit einem schweren Seufzer auf, ging zur Anrichte hinüber, wo auf einem Tablett eine neue Flasche mit Gin stand, und schraubte sie auf.
    »Hey, warten Sie mal!«, rief Adrian. »Haben Sie

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