Das fremde Gesicht
Renovierung!
Der Gasthof sah wunderschön aus, gestand sich Virginia ein, und er hatte ohne Frage einer Verschönerung bedurft, aber es wäre wirklich eine Ironie des Schicksals, die Unannehmlichkeiten und finanziellen Belastungen für die Renovierung und Neugestaltung auf sich zu nehmen, nur damit dann jemand anders daherkam und sich das Drumdoe Inn zu einem Schleuderpreis unter den Nagel riß.
Am allerwenigsten wollte Virginia Catherine noch zusätzliche Sorgen machen, doch der Mann, der Zimmer 3A belegte, fing allmählich an, sie zu beunruhigen. Schon seit seiner Ankunft war er immerzu im Bett, wobei er behauptete, die ständigen Fahrten zwischen Long Island und New Haven, wo seine Mutter im Krankenhaus war, hätten ihn erschöpft.
Es war keine große Sache, ihm ein Tablett ins Zimmer hinaufzuschicken. Damit wurden sie wirklich fertig. Das Dilemma war, daß er vielleicht ernsthaft krank war. Was für einen Eindruck würde es machen, falls ihm während seines Aufenthalts hier etwas zustieße?
Virginia sagte sich: Noch werde ich Catherine nicht damit belästigen. Ich lasse es wenigstens noch einen Tag so weiterlaufen. Wenn er morgen abend noch immer das Bett hütet, gehe ich hinauf und spreche selbst mit ihm. Ich werde darauf bestehen, daß er einen Arzt kommen läßt.
Frederick Schuller vom Valley Memorial Hospital in Trenton rief Mac Freitag spätnachmittags an. »Ich hab’ die Aufstellung der medizinischen Angestellten mit Eilpost an Miss Collins geschickt. Sie wird eine Menge zu lesen haben, falls sie nicht weiß, nach welchem Namen sie sucht.«
»Das war wirklich prompt«, sagte Mac aufrichtig. »Ich bin Ihnen sehr dankbar.«
»Warten wir ab, ob es weiterhilft. Da ist jedoch ein Punkt, der Sie vielleicht interessiert. Ich hab’ die Liste der Manning Clinic überflogen und Dr.
Henry Williams’
Namen darauf gesehen. Er ist mir bekannt. Er leitet jetzt das Franklin Center in Philadelphia.«
»Ja, ich weiß«, sagte Mac.
»Es mag ja nicht von Bedeutung sein. Dr. Williams war hier nie angestellt, aber mir fiel wieder ein, daß seine Frau in unserer Station für langfristige Fälle Patientin war, und zwar während zwei der drei Jahre, die Helene Petrovic im Dowling-Institut angestellt war. Ich bin ihm damals hier bisweilen über den Weg gelaufen.«
»Halten Sie es denn für möglich, daß er der Arzt ist, mit dem sich Mrs. Petrovic häufiger getroffen hat, als sie bei Dowling war?« fragte Mac rasch.
Es blieb eine Weile still, dann sagte Schuller: »Was ich jetzt sage, grenzt an Klatsch, aber ich habe mich doch etwas in der Station dort umgesehen. Die zuständige Oberschwester ist seit zwanzig Jahren da. Sie kann sich an Dr. Williams und seine Frau sehr gut erinnern.«
Mac wartete ab. Laß das die Verbindung sein, nach der wir suchen, flehte er.
Ohne Zweifel sträubte sich Frederick Schuller dagegen, fortzufahren. Nach einem weiteren kurzen Schweigen sagte er: »Mrs. Williams hatte einen Gehirntumor. Sie war in Rumänien geboren und aufgewachsen. Als ihr Zustand sich verschlechterte, verlor sie die Fähigkeit, Englisch zu sprechen. Dr. Williams konnte bloß ein paar Brocken Rumänisch, und eine Freundin kam regelmäßig in Mrs. Williams’ Zimmer, um für ihn zu dolmetschen.«
»War es Helene Petrovic?« fragte Mac.
»Der Krankenschwester wurde sie nie vorgestellt. Sie beschrieb sie als eine dunkelhaarige Frau mit braunen Augen von Anfang bis Mitte Vierzig, die ziemlich gut aussah.«
Schuller sagte noch: »Wie Sie sehen, ist das sehr vage.«
Nein, das ist es nicht, dachte Mac. Er versuchte, gelassen zu klingen, als er Frederick Schuller dankte, doch als er den Hörer auflegte, sprach er im Inneren ein Dankgebet.
Das war der erste Durchbruch! Meg hatte ihm erzählt, daß Dr. Williams leugnete, die Petrovic schon vor dem Antritt ihrer Stelle an der Manning Clinic gekannt zu haben.
Williams war der Experte, der Helene Petrovic die Fertigkeiten beigebracht haben konnte, die sie benötigte, um sich als Embryologin auszugeben.
54
»Kyle, solltest du nicht mit deinen Hausaufgaben anfangen?« hakte Marie Dileo, die sechzigjährige Haushälterin, sanft nach.
Kyle schaute sich gerade das Video an, das er von Megs Interview im Franklin-Institut aufgenommen hatte. Er schaute auf. »Gleich, Mrs. Dileo, ehrlich.«
»Du weißt doch, was dein Dad von zuviel Fernsehen hält.«
»Das ist eine Informationssendung. Das ist etwas anderes.«
Dileo schüttelte den Kopf. »Du hast auf alles eine Antwort.«
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