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Das fremde Gesicht

Titel: Das fremde Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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darüber gesprochen.
    Es ist verwerflich, einer unqualifizierten Person einen Job in einer hochsensiblen medizinischen Einrichtung zu geben. Je länger sie das Labor in der Manning Clinic unter die Lupe nehmen, um so mehr Fehler finden sie. Ich kann nicht begreifen, wieso mein Vater absichtlich so eine Lawine lostreten würde. Und was ist mit Helene? Hatte sie denn gar keine Skrupel in dieser Angelegenheit? Machte sie sich keine Sorgen, daß wegen ihrer Schlamperei, Unachtsamkeit oder Ignoranz einige der winzigen Embryos Schaden nehmen oder zugrunde gehen könnten?
    Zumindest bei einem Teil der gelagerten Embryos bestand die Absicht zu einer späteren Einpflanzung, in der Hoffnung, daß es auch zu einer Geburt kommen würde.«
    »Einpflanzung und Geburt«, wiederholte Pater Radzin.
    »Eine interessante ethische Frage. Helene war keine regelmäßige Kirchgängerin, doch wenn sie zur Messe kam, dann immer zum letzten Gottesdienst am Sonntag, und danach blieb sie zur Kaffeestunde. Ich hatte das Gefühl, sie hatte etwas auf dem Herzen, konnte sich aber nicht überwinden, darüber zu sprechen. Ich muß Ihnen allerdings sagen, daß, wenn ich ihre Eigenschaften beschreiben sollte, mir als allerletztes so etwas wie
    ›schlampig, unachtsam und ignorant‹ einfallen würde.«
    »Wie steht’s mit ihren Freunden? Wer stand ihr nahe?«
    »Niemand, von dem ich wüßte. Einige ihrer Bekannten haben sich diese Woche bei mir gemeldet. Sie sagen alle, wie wenig sie Helene wirklich gekannt haben.«
    »Ich befürchte, daß ihrer Nichte Stephanie vielleicht etwas zugestoßen ist. Sind Sie je dem jungen Mann begegnet, der der Vater ihres Kindes ist?«
    »Nein. Und soweit ich weiß, hat ihn auch sonst niemand getroffen.«
    »Was halten Sie von Stephanie?«
    »Sie ist völlig anders als Helene. Freilich ist sie sehr jung und noch nicht einmal ein Jahr hier im Land. Sie ist jetzt allein. Es könnte doch sein, daß der Vater des Babys wieder aufgetaucht ist und sie sich entschlossen hat, es mit ihm zu probieren.«
    Er runzelte die Stirn. So wie Mac, dachte Meghan. Pater Radzin sah wie Ende Dreißig aus, ein bißchen älter als Mac. Weshalb verglich sie die beiden? Das kam daher, weil beide so etwas Vernünftiges und Gutes an sich hatten, entschied sie.

    Sie stand auf. »Ich hab’ schon genug von Ihrer Zeit in Anspruch genommen, Pater Radzin.«
    »Bleiben Sie noch ein oder zwei Minuten, Meghan.
    Setzen Sie sich doch, bitte. Sie haben die Frage nach der Motivation Ihres Vaters angeschnitten, was die Plazierung von Helene in der Klinik angeht. Falls Sie nichts über Helene ausfindig machen können, würde ich Ihnen raten, weiterzusuchen, bis Sie den Grund für seine Beteiligung an dieser Jobvermittlung finden. Glauben Sie, daß er eine intime Beziehung zu ihr hatte?«
    »Das bezweifle ich sehr.« Sie zuckte die Achseln. »Er scheint sich ohnehin schon schwer genug damit getan zu haben, seine Zeit zwischen meiner Mutter und Annies Mutter aufzuteilen.«
    »Geld?«
    »Das ergibt ebenfalls keinen Sinn. Die Manning Clinic hat das übliche Honorar an Collins and Carter für die Vermittlung von Helene und Dr. Williams gezahlt. Meine Erfahrungen im Jurastudium und beim Studium der Natur des Menschen haben mich gelehrt, daß Liebe oder Geld die Ursachen sind, weshalb die meisten Verbrechen begangen werden. Aber hier, finde ich, paßt keins von beiden.« Sie erhob sich. »Jetzt muß ich aber wirklich gehen. Ich treffe mich mit Helenes Anwalt in ihrem Haus in Lawrenceville.«

    Charles Potters wartete schon, als Meghan eintraf. Sie war ihm kurz bei dem Trauergottesdienst für Helene begegnet.
    Als sie jetzt die Gelegenheit hatte, ihn genauer in Augenschein zu nehmen, wurde ihr klar, daß er jenem Typ Familienanwalt glich, wie man ihn in alten Filmen findet.
    Sein dunkelblauer Anzug war überaus konservativ, sein Hemd blütenweiß, seine schmale blaue Krawatte unauffällig, seine Gesichtsfarbe rosa, sein spärliches graues Haar ordentlich gekämmt. Eine rahmenlose Brille betonte überraschend lebhafte haselnußbraune Augen.
    Was auch immer Stephanie sich aus dem Haus angeeignet hatte, das Zimmer hier, das erste, das sie betraten, erschien unverändert. Es sah genauso aus, wie Meghan es vor weniger als einer Woche gesehen hatte.
    Die Kraft der Beobachtung, dachte sie. Konzentriere dich.
    Dann bemerkte sie, daß auf dem Sims die schönen Meißener Porzellanfiguren, die sie bewundert hatte, fehlten.
    »Ihr Freund Dr. MacIntyre hat mich davon abgehalten,

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