Das fremde Gesicht
eine Besprechung, und der allgemeine Eindruck war, daß viele unserer Klienten sich äußerst unwohl fühlen würden, wenn sie hier auf Fernsehkameras stießen.«
»Aber am Sonntag wollten Sie uns doch gerne haben.«
»Die Leute, die am Sonntag hier waren, haben Kinder.
Die Frauen, die zum erstenmal herkommen oder auch bisher erfolglos versucht haben, schwanger zu werden, sind häufig nervös und niedergedrückt. Künstliche Fortpflanzung ist eine höchst private Angelegenheit.« Sein Tonfall war bestimmt, aber seine Augen verrieten seine Beunruhigung. Weshalb nur? fragte sie sich.
»Als wir miteinander telefoniert haben«, sagte sie,
»kamen wir überein, daß wir keine Leute zu einem Interview bitten oder irgendwie vor die Kamera kriegen würden, die nicht wirklich gern bereit sind, über ihre Erfahrungen mit der Klinik zu reden.«
»Miss Collins, die Antwort ist nein, und jetzt, fürchte ich, muß ich zu einem Termin.« Er erhob sich.
Meghan hatte keine andere Wahl, als ebenfalls aufzustehen. »Was ist passiert, Doktor Manning?« fragte sie ruhig.
»Sie müssen doch wissen, daß ich merke, daß diese plötzliche Änderung mit sehr viel mehr zu tun hat als dieser reichlich späten Sorge um Ihre Patienten.«
Er antwortete nicht. Meghan verließ sein Sprechzimmer und ging den Gang hinunter zur Empfangshalle. Sie lächelte die Sprechstundenhilfe freundlich an und überflog das Namensschild auf dem Pult. »Mrs. Walters, ich hab’
eine Freundin, die sich sehr für jedes Informationsmaterial interessiert, was ich ihr über die Klinik geben kann.«
Marge Walters sah verblüfft aus. »Dann hat Dr. Manning wohl vergessen, Ihnen all das Zeug zu geben, was er seine Sekretärin für Sie zusammenstellen ließ. Ich ruf sie eben an. Dann bringt sie’s her.«
»Das wäre nett«, sagte Meghan. »Dr. Manning war bereit, bei dem Bericht mitzumachen, den ich vorhabe.«
»Natürlich. Die Leute hier sind ganz begeistert. Es ist Reklame für die Klinik. Lassen Sie mich Jane anrufen.«
Meghan hoffte inständig, daß Dr.
Manning seiner
Sekretärin nichts von seiner Entscheidung gesagt hatte, jede Beteiligung an der geplanten Sondersendung zu verweigern. Dann schlug vor ihren Augen Marge Walters’
Gesichtsausdruck von einem Lächeln zu einem erstaunten Stirnrunzeln um. Als sie den Hörer auflegte, war ihr offenes und freundliches Verhalten verflogen. »Miss Collins, ich nehme an, Sie wissen, daß ich Dr. Mannings Sekretärin nicht um die Unterlagen hätte bitten sollen.«
»Ich bitte nur um all das Material, das auch eine neue Klientin anfordern würde.«
»Da wenden Sie sich lieber an Dr. Manning.« Sie zögerte. »Ich möchte nicht unhöflich sein, Miss Collins, aber ich arbeite hier. Ich mache, was man mir sagt.«
Es lag auf der Hand, daß von ihr keine Hilfe zu erwarten war. Meghan wollte schon gehen, hielt dann inne.
»Können Sie mir mal eines sagen? Gab es seitens der Angestellten eine Menge Bedenken wegen des Projekts?
Ich meine, waren es alle oder nur ein paar, die bei der Konferenz dagegen waren?«
Sie sah deutlich, wie die andere Frau mit sich kämpfte.
Marge Walters konnte vor Neugier kaum an sich halten.
Die Neugier behielt die Oberhand. »Miss Collins«, flüsterte sie, »gestern mittag wurde die Belegschaft zusammengerufen, und alle haben bei der Nachricht applaudiert, daß Sie eine Sondersendung machen. Wir haben Witze darüber gemacht, wer wohl mit aufs Bild kommt. Ich kann mir nicht vorstellen, was Dr. Manning dazu gebracht hat, seine Meinung zu ändern.«
19
Mac empfand seine Arbeit in dem Forschungsinstitut LifeCode, wo er auf genetische Therapie spezialisiert war, als erfüllend, befriedigend und rundherum fesselnd.
Nachdem er Meghan verlassen hatte, fuhr er zum Labor und machte sich sofort an die Arbeit. Doch im Verlauf des Tages gestand er sich ein, daß es ihm schwerfiel, sich zu konzentrieren. Ein dumpfes Gefühl, daß etwas nicht stimmte, schien sein Hirn lahmzulegen und seinen ganzen Körper zu durchdringen, so daß sich seine Finger, die ganz selbstverständlich mit den empfindlichsten Geräten umgehen konnten, schwerfällig und ungeschickt anfühlten. Er machte an seinem Schreibtisch Mittagspause, und während er aß, versuchte er die deutlich spürbare Furcht zu analysieren, die ihn im Griff hatte.
Er rief im Krankenhaus an und erhielt den Bescheid, Mrs.
Collins sei von der Intensivstation auf die Kardiologie verlegt worden. Sie schlafe, und es würden keine Anrufe
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