Das fremde Haus
sich irgendwie dazu geäußert, wer die dunkelhaarige Frau sein könnte?«
»Sie hat was gesagt, aber das ergab nicht viel Sinn. Als ich fragte, wer denn so was tun würde, antwortete sie: ›Ich weiß, wer das war.‹ Ich habe darauf gewartet, dass sie weitersprechen würde, aber sie quakte nur unentwegt was davon, dass sie die Schlösser austauschen müsste. Sie schnappte sich die Gelben Seiten und fing an, nach Schlossern zu suchen, und dann warf sie das Buch auf den Boden, brach in Tränen aus und sagte: ›Wie kann ich denn nach dem, was passiert ist, noch in diesem Haus bleiben? Wenn sie meinen Hausschlüssel nachmachen lassen konnte, wird sie das auch ein zweites Mal schaffen.‹ Ich riet ihr, sich an die Polizei zu wenden.«
»Sie hat Ihren Rat befolgt«, sagte Grint. Den folgenden Kommentar richtete er an Sam. »Am Donnerstag, den 8. Juli, hat sie eine Aussage gemacht. Sie erklärte, sie hätte gemerkt, dass eine dunkelhaarige Frau sie verfolgte – sie hatte keine Ahnung, wer diese Frau sein könnte, aber sie lungerte öfters in ihrer Straße herum und verhielt sich merkwürdig. Aus dieser Aussage konnten wir unmöglich schließen, um wen es sich bei dieser Person handelte, aber dann …« Grint wandte sich wieder an Jackie. »Es gibt neue Entwicklungen.«
Gestern Morgen konnte Grint noch nichts von Selina Ganes Aussage gewusst haben, sonst hätte er weit mehr Interesse gezeigt, als Sam zum ersten Mal mit ihm über Bentley Grove 11 und Connie Bowskills verschwundene Tote gesprochen hatte.
»Ich musste nachfragen«, erklärte Jackie. »Ich wollte wissen, wer das ihrer Ansicht nach gewesen war. Sie sagte: ›Ich weiß nicht, wer sie ist.‹ Aber ein paar Minuten vorher hatte sie noch gesagt, sie wüsste, wer das gewesen war. Wahrscheinlich wollte sie nicht darüber reden.«
Grint und Sam wechselten einen Blick. Grint sagte: »Ich glaube, sie meinte damit, die Frau, die sie verfolgte, sei dafür verantwortlich – sie wusste, sie hatte eine Stalkerin, aber sie kannte deren Identität nicht.«
»Ach so«, sagte Jackie. »Ja, das könnte sein. Daran habe ich gar nicht gedacht.«
»Also haben Sie das Exposé in den Abfalleimer geworfen und Bentley Grove 11 aus dem Internet genommen …«, sagte Sam.
»Die Fotos gelöscht, die ich gemacht hatte, und meinem Chef erklärt, was passiert war.« Jackies Stimme klang bitter. »Ich habe eine gehörige Abreibung kassiert, weil ich mir den Pass nicht richtig angesehen hatte.« Sie warf Sam einen Blick zu, der wahrscheinlich ausdrückte: Ich kann mir denken, auf wessen Seite du stehst. »Und dann, kurz vor meiner Abreise nach Neuseeland, bekam ich einen Anruf von Dr. Gane – der echten Dr. Gane. Ich habe es überprüft.«
Sam überlegte, wie gründlich diese Überprüfung per Telefon wohl gewesen sein konnte. Sind Sie diesmal wirklich Selina Gane? Ja. Oh, okay, klasse.
»Ich habe ihre Stimme erkannt«, fuhr Jackie ihn an.
»Na schön«, sagte Sam gleichmütig.
»Sie hat mich angerufen, sagte sie, weil ich an diesem Tag, als ich mit den Frenchs bei ihr war, so freundlich und verständnisvoll wirkte.« Unverkennbar war ein »Da siehst du’s« auf Jackies Gesicht geschrieben, als hätte Sam infrage gestellt, dass sie ein guter Mensch sei. »Sie wollte ihr Haus verkaufen, und ich sollte das übernehmen. Das Haus käme ihr nicht mehr vor wie ihr Haus, sagte sie. Ich konnte das gut verstehen – ich an ihrer Stelle hätte genauso empfunden, um ganz ehrlich zu sein. Sie sagte: ›Wenn diese Frau einmal reingekommen ist, war sie vielleicht hundert Mal hier drin. Ich kann hier nicht mehr leben, seit ich weiß, dass sie in meine Privatsphäre eingedrungen ist. Vielleicht hat sie sogar in meinem Bett geschlafen, hat ganze Nächte hier verbracht, wenn ich weg war.‹ Ich musste ablehnen, da ich ja in Urlaub fuhr, aber ich habe ihr versprochen, Lorraine zu bitten, sie anzurufen. Sie hatte keine Einwände – sie kannte Lorraine, sie hatte ihren Hauskauf abgewickelt. Lorraine ist also hin und hat neue Fotos gemacht …«
»Moment mal«, unterbrach Sam sie. »Als ich mit Lorraine Turner sprach, erwähnte sie nichts davon, dass jemand sich für Selina Gane ausgegeben und ihr Haus ohne ihr Wissen einem Makler übergeben hatte.«
»Ich habe es ihr nicht erzählt«, sagte Jackie. »Dr. Gane hatte mich darum gebeten.«
»Sie wollte vermeiden, dass es irgendjemand erfuhr, der es nicht unbedingt wissen musste«, erklärte Grint. »Sie fand es quälend und peinlich, und sie
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