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Das fremde Jahr (German Edition)

Das fremde Jahr (German Edition)

Titel: Das fremde Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Giraud
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Perfekt«, ehe er auf dem Absatz kehrtmacht und verschwindet, wenn ihm die Argumente ausgehen. Wenn ich Simon schreibe, dass Thomas in seinem Alter schon einen eigenen Fernseher im Zimmer hat und schauen kann, was er will, auch wenn er sich seit dem Vorabend nicht mehr blicken ließ, wird er sofort verstehen, wovon ich rede. Dann hat er den Beweis, dass das, was Mama Papa vorwarf, gar nicht so schlimm war. Er wird begreifen, dass es kein ausreichender Grund war, zusätzlich zum Kummer auch noch Verbitterung auszulösen, was nur dazu geführt hat, dass sich jeder in seine Ecke zurückgezogen hat, um Trübsal zu blasen, wegen dem, was passiert war und immer noch passierte.
     
    Der Spaziergang ins Dorf war eine Schnapsidee von mir, und es dauert nicht lange, bis ich bereue, dass ich mich nicht fürs Auto entschieden habe. Wir haben Naphta mitgenommen, der sich im Schnee wälzt und offenbar unsagbar dankbar ist. Niemand sonst wollte mitkommen, weder die Kinder noch Herr Bergen, der genau in dem Moment die Treppe herunterkam, als wir das Haus verließen. Der Schnee glitzerte und schimmert so hell, dass ich ständig die Augen zusammenkneifen muss. Mein nächster Einkauf wird eine Sonnenbrille sein, sobald ich mal wieder in die Stadt komme. Vielleicht schon heute Nachmittag, falls wir uns etwas beeilen, aber Frau Bergen geht sehr langsam, schnauft bei jedem Schritt und bleibt immer wieder stehen, um den Hund zu rufen oder sich eine neue Zigarette anzuzünden. Ich wünschte, dieser schwachsinnige Spaziergang wäre endlich vorbei, und ich mache mir Sorgen, ob die Geschäfte noch offen sind, wenn wir ankommen. Was ist, wenn wir erst sehr spät essen? Das würde mir den Tag endgültig ruinieren. Doch ich schaffe es, meine innere Unruhe in den Griff zu bekommen, die nur das Symptom eines Leidens ist, das mir seit mehreren Monaten zusetzt und das ich »Angst vor der Leere« nenne. Ich habe bisher noch mit niemandem darüber gesprochen, obwohl es Simon schon aufgefallen ist, dass ich ab und zu »neurotisch« bin, wie er sagt. Wenn die Angst zu groß wird, werfe ich ein paar homöopathische Globuli ein und überlege mir, was ich tun könnte, um mich abzulenken. Ich wäre gern sehr schnell gelaufen, um tüchtig durchzuatmen, aber ich kann nur kleine Schritte machen, so klein, dass ich allmählich bezweifle, ob wir jemals in diesem Dorf ankommen. Im Übrigen sehe ich weit und breit kein Haus und kein Dorf, und ich vermute plötzlich, dass ich vielleicht gar nicht kapiert habe, was Frau Bergen gesagt hat. Ich habe wie üblich ein paar Worte herausgeklaubt, vermutlich aber das Wesentliche verpasst und eine parallele Realität konstruiert, eine aus Einzelstücken zusammengesetzte Welt, wie ich es mir seit meiner Ankunft hier zur Gewohnheit gemacht habe. Ich merke, dass wir keine Tasche dabei haben, um unsere Lebensmittel nach Hause zu tragen, und werde wütend auf mich, weil ich diese Sprache nicht besser beherrsche, die mich Tag für Tag zum Narren hält, mich foppt und vor den Kopf stößt. Aber ist es wirklich die Sprache, die mich hereinlegt? Und selbst wenn ich etwas missverstanden habe, was machen wir hier draußen in der Kälte am Waldrand, Frau Bergen und ich, wenn wir eigentlich am Küchentisch sitzen und Kartoffeln schälen müssten? Was haben wir hier auf dem Weg zu suchen, wenn doch kein Mensch in der Umgebung wohnt und der Wind wieder durch die Tannen bläst und Schneegestöber aufwirbelt? Nichts von dem, was ich hier erlebe, erscheint mir logisch, und unter der scheinbaren Ruhe, die hier auf dem Lande und im Leben dieser Familie herrscht, spüre ich etwas Bedrohliches lauern. Frau Bergen lächelt mich an und wirft einen Tannenzapfen, den Naphta im Flug auffängt. Frau Bergen, in ihrem dicken Pelzmantel, wie verloren in der unendlichen Weite der Natur, die sie verschlingt, macht mir plötzlich Angst.
     
    Ich verspreche, dass ich am Abend ein Kartoffelgratin machen werde, im Backofen und mit viel Crème fraîche. Und ich sage auch, wie lange es dauert: eine Stunde dreißig Minuten, und alle schauen drein, als würden sie denken, dass ich übertreibe. Nina will sich beim Essen unbedingt neben mich setzen und ist plötzlich sehr nett zu mir. Sie redet viel und aufgeregt und wird mehrmals von Thomas ermahnt, der mir gegenübersitzt und sagt, sie solle den Mund halten. Die Stimmen von Bruder und Schwester werden lauter, doch ich glaube, dass es sich bei den Wörtern, die über den heißen Töpfen hin und her fliegen, um

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