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Das Fremde Mädchen

Das Fremde Mädchen

Titel: Das Fremde Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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ihnen entgegenzukommen, von der Türe herüber: »Meine Herrin sagt, daß Ihr eintreten dürft.«
    Die Kemenate, die sie nun betraten, war klein und düster, denn das dem Wind zugewandte der beiden Fenster war bei diesem Wetter fest verschanzt. Die Wandbehänge waren alt und hatten dunkle Farben. Einen Kamin gab es nicht, nur einen steinernen Ofen in der am besten geschützten Ecke des Raumes, in dem Holzkohle glühte. Eine Frau saß mit einem kleinen Stickrahmen zwischen dem Ofen und dem einzigen Fenster, das Licht gab. In diesem Gegenlicht erschien sie als große, aufrechte Gestalt in dunklen Kleidern. Der Schein der Holzkohle schimmerte kupfern auf ihrer beschatteten Stirn. Sie hatte die Nadel ins gespannte Tuch gestoßen und die Hände um die Armlehnen des Stuhls geklammert. Die Augen hatte sie auf die Türe gerichtet, durch die Bruder Haluin mühsam mit seinen Krücken schlurfte. Der noch brauchbare Fuß war wund vom Laufen, so daß Haluin bei jedem Schritt zusammenzuckte.
    Der linke Fuß berührte kaum mit der Spitze den Boden und trug nur wenig zu seinem Gleichgewicht bei. Nachdem er sich so lange auf die Krücken gestützt hatte, waren seine Schultern hochgezogen und der einst gerade Rücken krumm. Nachdem sie seinen Namen gehört hatte, mußte sie einen Gast erwartet haben, der dem lebhaften, hübschen jungen Mann, den sie vor so vielen Jahren hinausgeworfen hatte, etwas ähnlicher sah.
    Was dachte sie nun, da sie den Krüppel erblickte?
    Er hatte kaum den Raum betreten, da erhob sie sich abrupt und stand stocksteif. Über die Köpfe der Gäste hinweg wandte sie sich zuerst an ihre Zofe, die Anstalten machte, den Brüdern in die Kammer zu folgen.
    »Laß uns allein!« sagte Adelais de Clary. Und als der Ledervorhang zwischen Kemenate und Halle wieder an Ort und Stelle gefallen war, sagte sie zu Haluin: »Was ist geschehen?
    Was hat man Euch nur angetan?«

4. Kapitel
    Sie war, dachte Cadfael, als sich seine Augen an das Spiel von Licht und Schatten in der Kammer gewöhnt hatten, höchstens zehn Jahre jünger als er, doch sie sah jünger aus.
    Das dunkle Haar, das zu beiden Seiten des Kopfes in schweren Zöpfen herabhing, zeigte kaum eine Spur von Grau, und die herrischen, feinen Gesichtszüge hatten ihre unerschütterliche Eleganz bewahrt, auch wenn das Fleisch, das die Knochen bedeckte, ein wenig eingefallen und schlaff wirkte. Ihr Körper war eckig und mager geworden, als der Saft der Jugend geschwunden war. Ihre Hände, obwohl immer noch wohlgeformt, wiesen doch einige geschwollene Knöchel und hervortretende Adern auf, und auf Kehle und Handgelenken, wo einst der strahlende Glanz der Jugend gewesen war, lag nun ein stumpfer Schein. Dennoch erkannte man in ihrem ovalen Gesicht, in den breiten Lippen und den großen Augen die Asche einstiger Schönheit. Nein, Asche war es noch nicht, sondern eine stille Glut, die so lebendig und heiß war wie die Kohle in der Kohlenpfanne.
    »Kommt näher!« lud sie ihre Gäste ein. Und als Haluin vor ihr stand und das Licht auf sein Gesicht fiel, das kalte und bleiche Licht, das durchs Fenster drang, und der rötliche Schein des Feuers, sagte sie: »Ihr seid es wirklich! Ihr seid so verändert.
    Wie habt Ihr Euch die Verletzungen zugezogen?«
    Ihre Stimme war tief, voll und befehlsgewohnt, und die anfänglichen Anzeichen von Entsetzen und Sorge waren verschwunden. Sie betrachtete ihn weder mitfühlend noch abweisend, sondern mit einer gewissen Gleichgültigkeit, allenfalls mit einer Neugierde, die keine tiefere Ursache hatte.
    »Das war ganz allein meine Schuld«, sagte Haluin. »Achtet nicht darauf! Ich habe nur bekommen, was ich verdiente. Ich bin tief gestürzt, aber durch Gottes Gnade lebe ich noch, obwohl ich schon vor längerer Zeit hätte sterben können. Und nachdem ich vor Gott und meinem Beichtvater meine Seele erleichtert hatte, kam ich zu Euch, um auch Euch um Vergebung zu bitten.«
    »War das denn wirklich nötig?« sagte sie verwundert. »Nach all den Jahren einen so weiten Weg zu gehen?«
    »Doch, es war nötig. Es liegt mir viel daran, von Euch zu hören, daß Ihr mir vergebt, was ich getan habe. Ich habe Euch großen Kummer bereitet, und ich kann keine Ruhe finden, solange meine Taten mein Gewissen drücken.«
    »Und so habt Ihr die ganze alte Geschichte erzählt«, sagte Adelais mit einiger Verbitterung, »alles, was geheim und beschämend war, habt Ihr erzählt. Eurem Beichtvater? Und wie vielen anderen noch? Diesem guten Bruder, der Euch begleitet? Dem

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