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Das Fremde Mädchen

Das Fremde Mädchen

Titel: Das Fremde Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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der Oberherr meines Vaters, und ich wurde schon vor meinem vierzehnten Jahr hergeschickt, um der Herrin aufzuwarten. Kaum zu glauben, daß ich den Herrn selbst nie sah, denn er war schon, bevor ich kam, ins Heilige Land aufgebrochen. Dies ist nur eines seiner Anwesen, das einzige in dieser Gegend. Sein Sohn hatte bereits seine Nachfolge angetreten und sich in Staffordshire niedergelassen.
    Sie aber fühlte sich immer in Hales am wohlsten, sie überließ ihrem Sohn die Verwaltung und lebte hier, und hierher kam auch ich. Es wäre besser für sie gewesen, wenn ich nie ihr Haus betreten hätte, und besser für Bertrade!«
    »Es ist zu spät«, wandte Cadfael milde ein, »um zu richten, was damals begangen wurde. Dieser Tag ist der Tag, an dem Ihr das tun könnt, was Ihr Euch geschworen habt, und dafür ist es nicht zu spät. Ihr werdet vielleicht freier mit ihr reden können, wenn ich draußen warte.«
    »Nein«, sagte Haluin. »Kommt mit mir! Ich brauche Euch als Zeugen, ich weiß, daß es recht ist.«
    Ein strohblonder Junge kam mit einer Mistgabel in der Hand, die in der kalten Luft leicht dampfte, aus dem Stall. Als er die beiden Benediktiner in ihren schwarzen Kutten am Tor sah, wandte er sich zu ihnen und kam ihnen gemächlich und mit freundlicher Miene entgegen.
    »Wenn Ihr Bett und Brot wollt, Brüder, dann kommt nur herein, Eure Kutte ist hier stets willkommen. Im Dachstuhl ist gut schlafen, und in der Küche wird man Euch speisen, wenn Ihr hereinkommen wollt.«
    »Ich erinnere mich«, sagte Haluin, die Augen immer noch auf die ferne Vergangenheit gerichtet, »Eure Herrin hält ihr Haus für Reisende stets offen. Aber ich werde heute nacht hier kein Bett brauchen. Wenn aber die Herrin Adelais de Clary mich empfangen will, dann will ich ihr mein Anliegen vortragen. Ein paar Minuten ihrer Zeit, um mehr bitte ich nicht.«
    Der Junge zuckte die Achseln, starrte sie mit grauen, undurchdringlichen Sachsenaugen an und winkte sie zur Steintreppe, die zur Halle hinaufführte.
    »Geht hinein und fragt die Hausdame Gerta. Sie wird nachfragen, ob die Herrin mit Euch sprechen will.« Er blieb stehen und sah ihnen nach, wie sie den Hof überquerten. Dann wandte er ihnen den Rücken und kehrte zu seiner Arbeit bei den Pferden zurück.
    Aus der Küche trat gerade ein Diener in die Halle, als sie die Tür erreichten. Er fragte nach ihrem Begehr und schickte, als er genug erfahren hatte, einen Küchenjungen zur Hausdame, die sogleich aus dem Flur herbeikam, um die beiden Brüder in Empfang zu nehmen. Sie war eine energische, saubere Frau von etwa vierzig Jahren, schlicht gekleidet und nicht sehr hübsch, denn sie hatte Pockennarben. Doch an ihrem Selbstbewußtsein kam kein Zweifel auf. Sie beäugte die Gäste ein wenig hochnäsig, hörte Haluins zaghaft vorgebrachte Bitte ohne aufmunterndes Lächeln an und schien es nicht eilig zu haben, eine Tür zu öffnen, deren einzige Hüterin sie war.
    »Aus der Abtei zu Shrewsbury kommt Ihr? Und im Auftrage des Abtes, nehme ich an?«
    »Auf einem Gang, den der Abt erlaubte«, sagte Haluin.
    »Das ist nicht dasselbe«, sagte Gerta scharf. »Was sonst außer Angelegenheiten der Abtei könnte einen Mönch aus Shrewsbury zu uns führen? Wenn es aber eine persönliche Angelegenheit ist, dann laßt meine Herrin wissen, mit wem sie es zu tun hat.«
    »Sagt ihr«, erwiderte Haluin geduldig, während er sich schwer auf die Krücken stützte und den unfreundlichen Blicken der Hausdame auswich, »daß Bruder Haluin, Benediktinermönch aus der Abtei zu Shrewsbury, demütig um die Gunst bittet, von ihr empfangen zu werden.«
    Der Name sagte ihr nichts. Offenbar hatte sie vor achtzehn Jahren noch nicht in Adelais de Clarys Diensten gestanden oder zumindest nicht ihr Vertrauen genossen. Eine andere Dame, im Alter der Herrin näher, hatte damals dieses wichtige Amt bekleidet. Leibdiener, die das Vertrauen ihrer Herren genießen und rechtfertigen, tragen eine große Last von Geheimnissen, die sie oft mit in den Tod nehmen. Irgendwo, dachte Cadfael, lauschte jetzt schweigend eine Frau, die erschrocken zusammengefahren war, als der Name fiel, auch wenn sie das von der Zeit gezeichnete und veränderte Gesicht nicht sofort erkannt hatte.
    »Ich werde sie fragen«, sagte die Zofe, immer noch mit einem Hauch Herablassung, und ging durch die Halle zu einer mit Leder verhangenen Tür am anderen Ende. Einige Minuten später trat sie wieder heraus, zog den Vorhang zurück und rief, ohne sich die Mühe zu machen,

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