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Das Fremde Mädchen

Das Fremde Mädchen

Titel: Das Fremde Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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leise aber vernehmlich in seinem Halbschlaf, der schon fast in einen Traum übergegangen war.
    »Ja, das ist möglich.«
    »Ich würde allerdings nicht empfehlen, dieses Leben als zweitbeste Lösung zu wählen«, widersprach Cadfael energisch.
    Doch genau dies hatte Haluin vor langer Zeit getan, und er sprach, als teilte er eine Offenbarung mit, als hätte sich sein inneres Auge genau in dem Augenblick, in dem es schwer vor Schlaf war, weit geöffnet.
    »Die Zeit kann lang werden, der Preis ist manchmal hoch«, fuhr Haluin sanft aber bestimmt fort, »aber am Ende ist es dann mehr als das Zweitbeste.«
    Er holte tief Luft, atmete mit einem langen und befreienden Seufzen aus und wandte auf seinem Kissen den Kopf von ihnen ab. Sie waren zweifelnd und verwundert so auf ihn konzentriert, daß sie die leichten, schnellen Schritte draußen überhört hatten. Als nun die Türe weit geöffnet wurde, fuhren sie überrascht herum. Lothair kam mit einem Korb Essen und einem Krug Dünnbier für die Gäste. Als er Roscelin gemütlich auf Cadfaels Bett und anscheinend auf gutem Fuße mit den Brüdern vorfand, spannte sich das wettergegerbte Gesicht des Burschen sichtlich, fast unheildrohend, und einen Moment war in seinen hellen Augen ein Funke zu sehen.
    »Was tut Ihr hier?« fragte er mit der Direktheit eines Ebenbürtigen und der sicheren Autorität des Älteren. »Master Roger sucht nach Euch, und mein Herr braucht Euch sofort nach dem Frühstück. Geht am besten sofort, und zwar schnell.«
    Man konnte nicht behaupten, daß Roscelin über diese Neuigkeit besonders beunruhigt gewesen wäre oder Einwände gegen die Art und Weise erhob, auf die sie vorgetragen wurden. Die Selbstsicherheit des Mannes schien ihn eher zu amüsieren. Er stand dennoch sofort auf, sagte Lebewohl, nickte und ging gehorsam aber ohne Hast an seine Pflichten. Lothair stand mit zusammengekniffenen Augen in der Tür und sah ihm nach. Erst als der Junge die Treppe vor dem Haupthaus erreicht hatte, kam er mit seiner Last ganz herein.
    Unser Wachhund, dachte Cadfael, hat Befehl, alle abzuweisen, die uns zu nahe kommen, aber mit dem jungen Roscelin hatte er wohl nicht gerechnet. Welchen Grund, grübelte er, mochte es dafür geben, daß er gerade diese Begegnung so empörend fand? Denn dies war der erste Funke, den ich aus seinem Stahl geschlagen sah.

6. Kapitel
    Adelais erwies ihren Gästen nach der Messe die Gunst eines persönlichen Besuchs und erkundigte sich mitfühlend nach ihrer Gesundheit und ihrem Wohlbefinden. Gut möglich, überlegte Cadfael, daß Lothair das ebenso unschuldige wie unerwünschte Eindringen des jungen Roscelin in eine Sphäre gemeldet hatte, die sie eindeutig als ihre private verstanden wissen wollte. Sie erschien, ihr Gebetbuch in der Hand, allein in der Türe ihrer kleinen Kammer, nachdem sie ihr Mädchen schon ins Witwenhaus vorausgeschickt hatte. Haluin war schon wach und machte Anstalten, sich zur Begrüßung artig von seiner Matratze zu erheben. Er wollte nach seinen Krücken langen, doch sie unterbrach ihn mit einem raschen Winken.
    »Bleibt nur liegen! Zwischen uns sind keine Förmlichkeiten nötig. Wie geht es Euch jetzt – da Ihr Euren Schwur erfüllt habt? Ich hoffe doch, Ihr habt die ersehnte Gnade gefunden und könnt in Frieden in Euer Kloster zurückkehren. Ich wünsche Euch diese Gnade – und eine leichte Reise und sichere Ankunft.«
    Und vor allem, dachte Cadfael, einen unverzüglichen Aufbruch. Man kann es ihr nicht verdenken, das will ich ja auch, und Haluin empfindet wohl ähnlich. Sauber und ordentlich hatte er seine Reise beendet, kein weiterer Schaden war angerichtet worden, man hat sich gegenseitig verziehen und sich ausgesprochen, und nun wird man schweigen.
    »Ihr habt die Nacht nicht geruht«, sagte sie, »und Ihr habt einen langen Rückweg bis nach Shrewsbury vor Euch. Meine Küche wird Euch Wegzehrung für die ersten paar Etappen mitgeben. Aber ich glaube, Ihr solltet auch Pferde nehmen.
    Bruder Cadfael habe ich es bereits gesagt. Wir können hier einige Pferde erübrigen, und ich kann einen Burschen aus Hales schicken und sie holen lassen, wenn ich zurück bin. Ihr solltet nicht versuchen, den ganzen Rückweg zu Fuß zu gehen.«
    »Für das Angebot und Eure Freundlichkeit sind wir Euch dankbar«, erwiderte Haluin hastig und protestierend. »Aber die Pferde kann ich nicht annehmen. Ich schwor, zu Fuß zu gehen und zurückzukehren, und ich muß halten, was ich gelobte. Es ist auch eine Frage des Glaubens

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