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Das Fremde Mädchen

Das Fremde Mädchen

Titel: Das Fremde Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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nie wiedersehen«, sagte Haluin eher zu Gott, zu sich selbst und zur aufziehenden Dämmerung als zu Cadfael. Es war schwer zu erkennen, ob es Erleichterung oder das Bedauern war, doch noch etwas unbeendet zurückzulassen.
    Der erste Schnee des unberechenbaren Märzwetters platzte mit einemmal aus dem niedrigen Himmel, als sie noch etwa zwei Meilen von Elford entfernt waren. Eine Spur Frost lag noch in der Luft und es würde kein starker oder ausgedehnter Schneefall werden, doch während er andauerte, kamen die Flocken dick und blendend herunter, stachen ihnen in die Gesichter und ließen den Weg vor ihren Augen verschwimmen.
    Die vorzeitige Dämmerung senkte sich fast auf einen Schlag, und eine trübe Dunkelheit entstand, in der wirbelnde Wolken weißer Flocken um sie tanzten und die wenigen Landmarken verschleierten, die es auf diesem offenen, dem Wind ausgelieferten und baumlosen Wegstück gab.
    Haluin begann zu stolpern, denn der Wind wehte ihm die Schneeflocken in die Augen, doch er hatte keine Hand frei und konnte nicht die Falten seiner Kapuze vor dem Gesicht zusammenraffen, um sich zu schützen. Zweimal setzte er die Krücke neben den ausgetretenen Weg und wäre beinahe gestürzt. Cadfael blieb stehen und hielt sich dicht vor ihm, den Rücken in den Wind gekehrt, damit sein Gefährte Atem schöpfen konnte und einige Augenblicke geschützt war, während er überlegte, wo sie waren und an welche Punkte in der Landschaft er sich noch von der Herreise erinnern konnte.
    Jedes Gebäude, so bescheiden es auch sei, wäre ihnen willkommen gewesen, bis der Schneefall vorbei war. Irgendwo in der Nähe, überlegte er, mußte ein Seitenweg nach Norden abzweigen und zu einer Gruppe kleiner Häuser führen, in deren Nähe er den langen Zaun eines Anwesens gesehen hatte. Dort war der einzige Schutz, den sie auf diesem Abschnitt der Straße finden konnten.
    Seine Erinnerung trog ihn nicht. Er ging vorsichtig voran, Haluin dicht hinter sich, und erreichte schließlich einen kleinen Hain aus Büschen und niedrigen Bäumen, die ihm in dieser kaum von Bäumen bestandenen Ebene gut im Gedächtnis geblieben waren. Ein Stück hinter dem Gebüsch zweigte tatsächlich der Weg ab. Durch den wirbelnden Schnee konnte er hin und wieder sogar eine flackernde Fackel erkennen, die ihm den kürzesten Weg zu den Gebäuden wies. Wenn der Hausherr späten Reisenden mit einem Leuchtturm half, konnten sie mit einer warmen Begrüßung rechnen.
    Sie brauchten länger, als Cadfael vermutet hatte, um den Weiler zu erreichen, denn Haluin humpelte schwer und kam nur noch langsam voran. Cadfael blieb immer wieder stehen, um ihn nicht zurückzulassen. Hier und dort erhoben sich links und rechts einsame Bäume aus dem wirbelnden Weiß, die ebenso schnell wieder verschluckt wurden. Die Schneeflocken waren größer und feuchter geworden, ein Anzeichen, daß der Frost nachließ. Dieser Schnee würde nicht einmal bis zum Morgen liegenbleiben. Die Wolken über ihnen wurden vom aufkommenden Wind aufgebrochen und zerfetzt, hier und dort lugten sogar schon Sterne hervor.
    Die Fackel war, hinter dem Zaun des Anwesens verborgen, nicht mehr zu sehen. Nun erhob sich vor ihnen ein massiver, hölzerner Torpfosten aus der Dunkelheit. Links von ihm erstreckte sich der hohe Zaun, rechts war das offene Tor, und plötzlich konnten sie auch die Fackel wieder sehen. Jenseits eines großen Hofes steckte sie in einem Wandhalter unter der Traufe und beleuchtete die Treppe, die zur Tür der Halle hinaufführte. Rings um den Zaun standen die üblichen Gebäude der Dienstboten. Cadfael kündigte ihre Ankunft mit einem kurzen Ruf an, und sofort kam ein Mann aus einer Stalltür durch den Schnee herbeigestapft, der im Gehen andere zu sich rief. Über der Treppe öffnete sich die Tür der Halle und gab den Blick auf ein willkommenes Kaminfeuer frei.
    Cadfael führte Haluin am Arm durch das offene Tor, und ein zweiter bereitwilliger Arm faßte ihn von der anderen Seite um die Hüfte und hob ihn beinahe mit Gewalt in den schützenden Hof. Eine laute Stimme war durch den Schnee zu vernehmen:
    »Brüder, Ihr habt Euch eine schlimme Nacht für Eure Reise ausgesucht. Aber kommt nur, Eure Sorgen sind vorbei. Euch steht unser Tor stets offen.«
    Inzwischen strömten noch andere herbei, um die späten Reisenden ins Haus zu geleiten. Ein junger Bursche kam, einen Sack als Kapuze über Kopf und Schultern gezogen, aus dem Gewölbe herauf, ein bärtiger und besser gekleideter älterer Mann kam halb

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