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Das Fremde Mädchen

Das Fremde Mädchen

Titel: Das Fremde Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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daran, daß ich hernach für Gott und die Menschen doch nicht zu verkrüppelt und nutzlos bin und nichts mehr geben könnte. Ihr wollt doch nicht, daß ich beschämt und wortbrüchig heimkehre.«
    Sie schüttelte angesichts seines Starrsinns resigniert den Kopf. »Euer Gefährte hier warnte mich bereits, daß Ihr auf diese Weise antworten würdet, aber ich hoffte, Ihr wärt vernünftigen Einwänden zugänglich. Sicherlich habt Ihr auch gelobt, so bald wie möglich zu Euren Pflichten in der Abtei zurückzukehren. Hat das kein Gewicht? Wenn Ihr darauf besteht, zu Fuß zu gehen, könnt Ihr frühestens morgen aufbrechen, nachdem Ihr die Nacht auf den harten Steinen verbracht habt.«
    Für Haluin klang dies zweifellos wie echte Anteilnahme und eine Einladung zu bleiben, bis er erholt war. Cadfael hörte jedoch den leisen Unterton der Entlassung.
    »Ich habe nie geglaubt, daß es leicht wäre zu tun, was ich geschworen habe. Das sollte es auch nicht sein. Der Sinn, wenn es überhaupt einen hat, ist es, die Mühen zu ertragen und zu büßen. Und das kann und will ich tun. Ihr habt recht, ich bin es meinem Abt und den Brüdern schuldig, so bald wie möglich zu meinen Pflichten zurückzukehren, und deshalb müssen wir heute schon aufbrechen. Wenn es noch einige Stunden Tageslicht gibt, dann dürfen wir sie nicht verschwenden.«
    Um ihr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, muß man einräumen, daß sie angesichts einer so raschen Erfüllung eines Wunsches, den sie nicht einmal offen vorgetragen hatte, erschrocken zurückfuhr. Sie drängte ihn, wenn auch ohne Wärme, sich noch etwas Ruhe zu gönnen, gab sich schließlich aber dem störrischen Haluin geschlagen. Die Dinge waren verlaufen, wie sie es gewünscht hatte, und nun konnte sie sich im letzten Augenblick einen Anflug von Mitleid und Bedauern erlauben.
    »Dann soll es sein, wie Ihr es haben wollt«, sagte sie. »Also gut. Luc wird Euch Essen und Trinken bringen, bevor Ihr geht, und Euren Ranzen füllen. Ich scheide in gutem Willen von Euch, und für heute und alle Zeit wünsche ich Euch alles Gute.«
    Als sie fort war, blieb Haluin eine Weile schweigend sitzen. Er schauderte ein wenig, als ihm bewußt wurde, wie endgültig dieser Abschied gewesen war. So hatte er es sich erhofft, und dennoch war er erschüttert.
    »Ich habe es Euch unnötig schwer gemacht«, sagte er traurig. »Ihr müßt so müde sein wie ich, und ich habe für uns beide entschieden, daß wir jetzt gleich ohne Schlaf aufbrechen.
    Sie wollte uns loswerden, und ich für meinen Teil wünsche von Herzen, so schnell wie möglich zu gehen. Je eher die Bande zertrennt werden, desto besser für uns alle.«
    »Es war recht so«, erwiderte Cadfael. »Wir brauchen ja nicht weit zu gehen, wenn wir erst hier heraus sind, denn Ihr seid nicht in der Verfassung, weit zu wandern. Aber mehr als herauskommen ist für den Augenblick auch nicht nötig.«
    Am Nachmittag traten sie durch Audemar de Clarys Tore hinaus unter einen Himmel, der schwer von grauen Wolken war, und wandten sich auf dem Weg, der durch Elford führte, nach Westen. Ein kalter, beißender Wind blies ihnen in die Gesichter. Es war vorbei. Von nun an kamen sie mit jedem Schritt der Normalität und Sicherheit näher, dem Stundenplan des mönchischen Lebens und dem gesegneten Tagesablauf von Arbeit, Andacht und Gebet.
    Auf der Hauptstraße drehte Cadfael sich einmal um und sah die beiden Burschen im Tor stehen, die den scheidenden Gästen nachblickten. Zwei kräftige, stämmige Gestalten waren es, schweigsam und nicht voneinander zu unterscheiden, die mit ihren hellen, harten Normannenaugen den Störenfrieden nachsahen. Sie wollten sichergehen, dachte Cadfael, daß die Unruhe, die wir ihrer Herrin bereitet haben, mit uns zieht und kein Schatten zurückbleibt.
    Sie sahen sich nicht noch einmal um. Es kam jetzt darauf an, mindestens eine trennende Meile zwischen sich und das Witwenhaus von Elford zu bringen. Danach konnten sie sich beizeiten nach einem Nachtlager umsehen, denn trotz seiner Entschlossenheit war klar, daß der ausgemergelte und vor Erschöpfung graue Haluin nicht weit laufen konnte, ohne einen Zusammenbruch zu riskieren. Sein Gesicht war zusammengekniffen, er ging gleichmäßig aber schwer auf seinen Krücken, die Augen waren geweitet und lagen dunkel in tiefen Höhlen. Es war zu bezweifeln, daß er den Frieden genoß, den er an Bertrades Grab hätte finden sollen, aber vielleicht war es auch nicht Bertrade, die ihn heimsuchte.
    »Ich werde sie

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