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Das Fremde Mädchen

Das Fremde Mädchen

Titel: Das Fremde Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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selbst nicht ganz an diese Möglichkeit.
    Roscelin wäre schon empört in die Halle von Vivers gestürmt, ehe Edgytha überhaupt vermißt worden wäre.
    Cadfael wanderte nun neben Cenred, der auf dem Weg in der Mitte der Reihe ging und die Männer antrieb. Ein dunkler, schräger Blick, und Cenred hatte ihn erkannt und grüßte ihn ohne große Überraschung. »Es war nicht nötig, Bruder«, sagte Cenred nur. »Wir sind genug.«
    »Einer mehr kann nicht schaden«, gab Cadfael zurück.
    Einen Schaden würde Cadfael sicher nicht anrichten, aber wahrscheinlich war er auch nicht besonders willkommen.
    Cenred wäre es lieber gewesen, wenn er diese Angelegenheit unter den Angehörigen des Hauses selbst hätte regeln können.
    Andererseits schien er durch die Gegenwart eines Benediktiners in seiner Suchgruppe auch nicht besonders beunruhigt. Er hatte die Absicht, Edgytha zu finden, am besten, bevor sie Elford erreichte, und wenn das nicht gelang, dann wollte er wenigstens das Unglück verhüten, das sie möglicherweise in Gang gebracht hatte. Vielleicht rechnete er damit, seinen Sohn irgendwo unterwegs zu treffen, der eilig herbeikam, um die Trauung zu verhindern, die ihm seine letzten vergeblichen Hoffnungen nehmen würde. Aber sie waren schon mehr als eine Meile gelaufen, und die Nacht war leer wie zuvor.
    Sie zogen nun auf buschigem, unebenem Gras durch ein schütteres Wäldchen. Der Schnee war zu leicht, um die Blätter zu Boden zu drücken, und sie wären am kleinen Hügel neben dem Weg vorbeigelaufen, wäre da nicht die weiße Spitze auf einem Untergrund gewesen, der dunkler war als das gebleichte Braun des gefrorenen Grasbodens. Cenred war schon vorbei, doch als Cadfael innehielt und zu Boden starrte, blieb er sofort stehen.
    »Schnell, bringt die Fackel her!«
    Das gelbe Licht enthüllte vor ihren Augen die Umrisse eines Menschen, der flach und mit den Füßen zum Weg auf dem Boden lag, überzogen von einer Kruste aus Schnee. Cadfael bückte sich und zog den gefrorenen Schleier vom nach oben gewandten Gesicht. Die Augen waren offen, das Gesicht war erschrocken und erstaunt und wohl auch ängstlich verkrampft.
    Die Haube war während des Sturzes vom grauen Haar gerutscht. Die Frau lag auf dem Rücken, ein wenig zur rechten Seite gedreht. Die Arme hatte sie hochgeworfen, als wollte sie einen Schlag abwehren. Der schwarze Mantel war dunkel unter der weißen Spitze zu sehen. Auf der Brust hatte ein Fleck den Schleier verunstaltet, wo ihr Blut, ein kleiner Strom nur, die herabfallenden Schneeflocken aufgetaut hatte. Aus ihrer Stellung konnte man nicht schließen, ob sie auf dem Hinweg oder auf dem Rückweg gewesen war, doch Cadfael hatte den Eindruck, daß sie im letzten Augenblick gehört hatte, wie jemand hinter ihr einherschlich. Sie hatte sich umgedreht und die Arme gehoben, um sich zu schützen. Der Dolch, den der Angreifer ihr von hinten zwischen die Rippen schieben wollte, hatte statt dessen ihre Brust getroffen. Sie war tot und kalt. Der Frost vereitelte jede Mutmaßung über den Zeitpunkt ihres Todes.
    »Um Gottes willen!« flüsterte Cenred. »Daran habe ich im Traum nicht gedacht. Was sie auch im Sinn hatte, warum mußte dies geschehen?«
    »Wölfe jagen auch bei Frost«, sagte sein Aufseher schwer.
    »Auch wenn hier wahrlich nicht viel für sie zu holen ist. Aber seht nur, nichts wurde gestohlen, nicht einmal ihr Mantel.
    Herrenlose Männer hätten sie beraubt.«
    Cenred schüttelte den Kopf. »Hier gibt es keine Gesetzlosen, das kann ich beschwören. Nein, das hier ist etwas anderes. Ich frage mich nur, ich frage mich, in welche Richtung sie ging, als sie erschlagen wurde!«
    »Wenn wir sie umdrehen, finden wir es vielleicht heraus«, warf Cadfael ein. »Was nun? Wir können nichts weiter für sie tun. Wer immer das Messer für die Schandtat benutzte, er brauchte keinen zweiten Stich. Fußabdrücke werden wir auf diesem harten Boden selbst dort kaum finden, wo kein Schnee liegt.«
    »Wir müssen sie nach Hause tragen«, sagte Cenred düster.
    »Es wird ein schwerer Schlag für meine Frau und meine Schwester sein. Sie hielten große Stücke auf die alte Frau. Sie war ihnen immer treu ergeben und vertrauenswürdig, all die Jahre, seit meine junge Schwiegermutter sie ins Haus brachte.
    Diese Tat muß geahndet werden! Wir werden einen Mann schicken und in Erfahrung bringen, ob sie Elford überhaupt erreichte und was man dort über sie weiß, und ob man etwas von Räubern auf diesem Weg gehört hat, die vielleicht

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