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Das Fremde Mädchen

Das Fremde Mädchen

Titel: Das Fremde Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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einem Entschluß vortastete, »daß es Euch nicht leid tut, wenn Euer Versprechen hinfällig wird.«
    »Nein, überhaupt nicht. Es tut mir leid, daß eine Frau gestorben ist und daß diese Kinder so unglücklich sind und keine Hoffnung auf Erlösung haben. Aber ich könnte jetzt nicht mehr im Namen Gottes das Mädchen mit einem Mann verbinden, solange ich nicht die Sicherheit zurückgewonnen habe, die ich verlor. Jetzt bleibt uns nur noch«, sagte Bruder Haluin, »unseren Abschied zu nehmen. Wir haben hier nichts mehr verloren. De Clary hat es uns in aller Deutlichkeit gesagt.
    Und Cenred wird froh sein, wenn wir aufbrechen.«
    »Und Ihr habt ja noch Euer Gelübde zu erfüllen und keinen Grund, Euch weiter aufzuhalten. Es ist wahr«, stimmte Cadfael mit einer Mischung aus Erleichterung und Bedauern zu.
    »Ich habe mich schon zu lange aufgehalten. Höchste Zeit«, meinte Haluin, »zu erkennen, wie klein mein eigener Kummer ist und wie wichtig ich mich nahm. Ich traf die Entscheidung wie ein Feigling nur für mein eigenes Seelenheil, doch das Leben, das ich noch habe, will ich einem besseren Zweck widmen.«
    Dann war diese Reise, dachte Cadfael, also doch nicht vergeblich. Zum erstenmal seit seiner Flucht aus der Welt, krank vom Verlust und seinen Schuldgefühlen, hat er sich wieder in die Welt hineingewagt und sie voller Schmerzen gefunden. In diese Welt hinein fiel sein eigener Schmerz und verlor sich wie ein Regentropfen im Meer. All die Jahre war er äußerlich pflichtbewußt und hielt sich peinlich genau an die Regeln, doch innerlich litt er unter seiner Einsamkeit. Jetzt erst beginnt seine wahre Berufung. Endlich erleuchtet, mochte Haluin durchaus aus dem Holz geschnitzt sein, aus dem Heilige gemacht werden. Nur ich, ich bin ein Unverbesserlicher.
    In seinem Herzen wollte er Vivers nicht verlassen, da alles noch in der Schwebe war. Haluin hatte natürlich mit jedem Wort recht, die Braut war fort, es würde keine Trauung geben, und sie hatten keinen Grund, auch nur einen Tag länger zu bleiben.
    Cenred hatte keine weitere Verwendung für sie und wäre sicherlich sogar froh, sie fortgehen zu sehen. Aber Cadfael war nicht glücklich damit, einem ungesühnten Mord den Rücken zu kehren, wenn keine Gerechtigkeit geübt und die Tat möglicherweise niemals aufgeklärt wurde.
    Ebenso war es wahr, daß Audemar de Clary hier der Oberherr war, ein entschlossener und zielstrebiger Mann, der sich mit einem solchen Verbrechen in seinem Gebiet selbst befassen mußte. Es gab nichts, was Cadfael ihm sagen konnte, das Cenred ihm nicht schon berichtet hatte.
    Und überhaupt, was hatte Cadfael in der Hand? Edgytha war einige Stunden vor ihrem Tod fortgegangen, auf dem Boden hatte bereits Schnee gelegen, als sie starb. Sie war auf dem Rückweg nach Vivers und hatte ausgeführt, was sie beabsichtigt hatte. Sie hatte genug Zeit gehabt, um Elford zu erreichen. Sie war nicht ausgeraubt worden. Der Mörder hatte sie einfach getötet und liegenlassen, wie es herrenlose Räuber nie getan hätten. Wenn es nicht darum ging, sie daran zu hindern, Roscelin zu warnen – was nur auf dem Hinweg sinnvoll gewesen wäre –, dann war sie aus einem anderen Grund zum Schweigen gebracht worden, bevor sie Vivers erreichen konnte. Aber welche Verbindung gab es zwischen Elford und Vivers außer der Verbannung des jungen Roscelin in Audemars Dienste? Welches andere Geheimnis außer der geplanten Trauung drohte enthüllt zu werden?
    Aber Edgytha hatte Roscelin nicht gesehen, sie hatte nicht mit ihm gesprochen, und sie hatte sich nicht an Audemar oder einen anderen Menschen in seinem Haus gewandt. Wenn sie also in Elford war, warum hatte sie dann niemand gesehen?
    Und wenn sie nicht in Elford war, wo dann?
    Wenn es also nicht um das ging, was er selbst, sein Gastgeber und dessen Frau vermutet hatten, wie sah dann die Katze aus, die Edgytha finden und unter Cenreds Tauben setzen wollte?
    Aller Wahrscheinlichkeit nach würde er die Antworten auf diese Fragen nie erfahren, er würde nie hören, welches Schicksal auf das arme Mädchen und den unglücklichen Jungen wartete, und auf ihre Eltern, die sich in Sorge und Kummer um die beiden fast zerrissen. Eine Schande! Aber er konnte es nicht ändern, sie durften Cenreds Gastfreundschaft nicht länger in Anspruch nehmen. Sobald das Haus erwacht war, mußten sie Lebewohl sagen und nach Shrewsbury aufbrechen. Es war höchste Zeit, nach Hause zurückzukehren.
    Der Morgen war grau, der Himmel bewölkt aber hoch, es

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