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Das Fremde Meer: Roman (German Edition)

Das Fremde Meer: Roman (German Edition)

Titel: Das Fremde Meer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hartwell
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in Waden und Oberschenkeln schmerzen, so entschieden hat sie die Beine in den Boden gestemmt.
    Ghostboy unterdessen blinzelt unsicher in den Raum. Nur mit Corwins Hilfe gelingt es ihm, sich aufzurichten. Schwankend und noch immer durch Corwin gestützt, steht er vor dem Tank, schaut sich fragend um, wie einer, der nicht weiß, wie ihm geschieht. Später am Abend wird er Martha bestätigen, dass er sich tatsächlich an nichts hat erinnern können, nicht an die Vorstellung, nicht an den Tank, nicht an den Tod. Erst langsam und mit einiger Verspätung sei alles zu ihm zurückgekehrt.
    Kaum, dass sie wieder in Marthas Wagen sind, fällt Ghostboy in ihr Bett, wenig später ist er eingeschlafen. Martha kommt an diesem Abend nicht zur Ruhe; nachdem sie eine Weile neben Ghostboy auf dem Bett gesessen hat, schleicht sie aus dem Wagen. Auf dem Weg zum Riesenrad trifft sie Merwin, und einige Minuten sprechen sie über die Vorstellung, darüber, dass es noch immer nicht aufgehört hat zu schneien und sie die Stadt noch immer nicht verlassen können. Noch während sie Merwin Fragen stellt und seine Antworten hört, entdeckt Martha die sieben Männer. Anders als an den bisherigen Abenden sind sie nicht gleich nach der Vorstellung gegangen. Sie stehen in der Nähe des Schießbudenstandes. Zwei schießen und treffen, die anderen schauen ihnen zu.
    Auch Merwin hat die Männer inzwischen bemerkt. »Es wird Ärger geben«, sagt er, in Richtung der Gruppe nickend.
    »Kann man sie nicht fortschicken?«
    Merwin schüttelt den Kopf. »Wir wollen ihnen keinen Grund geben, mit Streitereien anzufangen. Außerdem, der Große – siehst du ihn? Er hat hier viel zu sagen. Ihm gehört eine Fabrik, und die meisten in Pern arbeiten für ihn.«
    »Was für eine Fabrik?«
    »Eine Uhrenfabrik, glaube ich. Aber wir haben nicht mit ihm selbst gesprochen.« Schweigend schauen sie den Männern nach, bis diese, sich gegenseitig auf die Schultern klopfend, in den Schatten verschwinden. »Ich weiß, dass du hier wegwillst. Niemand von uns möchte hier sein. Aber der Schnee.«
    Martha nickt.
    Unterdessen schreckt Ghostboy aus einem Traum auf. Noch während er die Augen öffnet, entgleitet ihm der Inhalt, zurück bleibt nur eine drückende Unruhe. Benommen richtet er sich auf, umfasst seine Schultern, zieht die Beine an. Er fühlt sich, als habe man ihn auseinandergeschraubt und nur notdürftig wieder zusammengesetzt.
    Als Martha kurz darauf den Wagen betritt, sich neben ihn setzt und den Kopf an seine Schulter lehnt, will er ihr von dem Fleck erzählen, seiner letzten Minute im Tank, doch die Erinnerung an die Vorstellung beginnt bereits zu verblassen. Schon hört er sich stammelnd von einer Abwesenheit berichten, unter der nicht einmal er selbst sich noch etwas vorstellen kann. Wahrscheinlich, denkt er, habe ich mir nur etwas eingebildet.
    *
    Auch am nächsten Abend kehrt die Gruppe der Männer zurück. Unruhig beobachtet Martha, wie Ghostboy in den Tank steigt. Am Ende der Vorstellung kommt er schneller zu sich als am Abend zuvor, braucht aber immer noch entschieden länger als gewöhnlich. Als er aufsteht und ins Publikum winkt, sind seine Bewegungen fahrig und müde; auf dem Weg von der Bühne stolpert er.
    Später in der Garderobe schaukelt er unzufrieden auf seinem Stuhl vor und zurück. Im grellen Licht der Spiegelbeleuchtung sieht er nicht wie ein Toter, aber wie ein Schwerkranker aus. Seine Mundwinkel sind eingerissen, seine Wangen eingefallen. In beiden Augäpfeln sind kleine Äderchen geplatzt, haben das Weiß um die Iriden rötlich verfärbt. Als Martha sich hinter ihn stellt und ihm die Hände auf die Schultern legt, fährt er herum: »Lass uns ausgehen«, sagt er.
    Martha schüttelt den Kopf, schüttelt ihn auch, als er sie ein zweites und drittes Mal bittet. Hilfesuchend sieht sie sich nach Merwin und Corwin um, doch keiner der beiden Brüder ist zu sehen.
    »Ich glaube nicht, dass Merwin es für eine gute Idee hält, wenn wir –«, setzt Martha an, als Ghostboy ihr ins Wort fällt.
    »Bitte«, sagt er. »Immer bloß der Zirkus, die Wagen und das Riesenrad. Ich kann das alles nicht mehr sehen. Ich brauche etwas … etwas anderes. Einen Ort, den ich noch nicht kenne.«
    Martha betrachtet Ghostboy in dem großen Spiegel. In den letzten Monaten hat sie viel über ihn gelernt, weiß, dass er hin und wieder im Schlaf spricht, unverständliche Anweisungen an sich selbst oder andere richtet; weiß, dass er oft die Stirn runzelt, die Augen abwesend,

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