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Das Fremde Meer: Roman (German Edition)

Das Fremde Meer: Roman (German Edition)

Titel: Das Fremde Meer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hartwell
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bemerken. Aber ich weiß es besser, erinnere mich an unseren Besuch bei Professor Dunker und wie sich nichts in deinem Gesicht regte, als die Teller mit Seelachsfilet aufgetragen wurden. »Er isst keinen Fisch!«, hätte ich am liebsten gerufen, aber ich wusste, dass du es mir übel genommen hättest, dass nichts schlimmer für dich ist, als unangenehm aufzufallen, als Umstände zu bereiten.
    Mit deinem glänzenden Haar siehst du sauber aus, rein. Du lässt mich an die weißen Leinwände meiner Mutter denken. Als Kind hielt ich die noch unangetasteten Leinwände für die wahren Kunstwerke – wenn sie, gerade erst geliefert, noch neu waren, nicht entstellt durch die Risse, Dellen und Schmierflecken, die meine wenig sorgfältige Mutter zwangsläufig auf ihnen hinterlassen würde. Die Kunst, die Schönheit lag für mich nicht in den düsteren Farbspiralen und symbollastigen Aquarellbildern, sondern in der Makellosigkeit der präzisen Linien des Randes, in der Eindeutigkeit und Entschlossenheit, die ich meinte, in dem unberührten Weiß zu entdecken. An diese Leinwände denke ich, wenn ich den Stoff deines Hemdes betrachte, deine Hände, die Haut über den Knöcheln; ich denke: Es fehlt dir an nichts, es sollte nichts mehr hinzukommen, du bist vollkommen, in dir geschlossen, und wenn ich dich anschaue, dann kann ich bereits alles sehen.
    Meine Mutter bringt uns Kaffee, der aussieht wie Schlick in Tassen. Aber als wir davon trinken, schmeckt er nicht weiter ungewöhnlich.
    Meine Mutter deutet Richtung Hinterhaus und sagt: »Nina ist im Garten.«
    Ich zucke erschrocken zusammen, dabei habe ich gewusst, dass wir in Erlburg auch meiner Schwester begegnen würden. Seit einer neuen Liebeskatastrophe wohnt sie wieder bei meiner Mutter. Sie arbeitet – übergangsweise – in der Post, wo zurzeit unverhältnismäßig viele Briefmarken gekauft werden. Besonders von 14-Jährigen.
    »Dann gehen wir schnell runter«, verkünde ich, resolut wie vor einem Zahnarztbesuch.
    Doch bevor wir das Haus verlassen können, fällt dich eine der Katzen an. Es passiert so schnell, dass weder meine Mutter noch ich den Angriff verhindern können.
    Wir sind in den Flur gegangen, um unsere Jacken zu holen. Die Katze muss auf der Hutablage im großen Garderobenschrank geschlafen haben, und als du deine Jacke aus selbigem herausnimmst, springt sie aus dem Schrankinneren auf dich hinab. Erschrocken reißt du die Hände hoch, das Tier ist wild vor Angst oder Zorn, und für einige Sekunden seid ihr verfangen, die Krallen der Katze graben sich in deinen Pullover, deine Finger in ihr Fell. Erst als meine Mutter armerudernd auftaucht, lässt das Tier von dir ab und rennt fauchend davon.
    Während meine Mutter die Kratzer an deinen Händen und am Hals desinfiziert, entschuldigt sie sich ratlos. Ich lege dir die Hände auf die Schultern und werfe ihr über deinen Kopf hinweg böse Blicke zu. Das Tier ist uns ins Wohnzimmer gefolgt, um in sicherer Entfernung seine Pfoten zu lecken.
    »So was habe ich noch nie erlebt«, sagt meine Mutter.
    Ich schnaube, als ob ich ihr nicht glauben würde, dabei weiß ich, dass sie die Wahrheit sagt. Keine ihrer Katzen ist mir bisher besonders angriffslustig erschienen.
    »Vielleicht ist es der fremde Geruch«, schlägt meine Mutter vor. »Vielleicht riechen Sie nach Hund.«
    »Ganz bestimmt nicht«, fahre ich sie im selben Moment an, da du einräumst: »Ja, vielleicht.«
    Meinen eigenen Verdacht behalte ich für mich. Denn während meine Mutter deine noch zittrigen Finger mit Pflastern versieht, denke ich, dass du mir manchmal wie ein Vogel scheinst, dass du dich wie ein Vogel bewegst, mit ruckartigen, flattrigen Bewegungen, dass du zart wie ein Vogel bist und schwer zu fassen.
    Nachdem meine Mutter eine Tinktur auf die Kratzer geträufelt und sie verbunden hat, gehen wir in den Garten, wo meine Schwester Nina in einem Liegestuhl döst. Sie trägt eine übergroße Sonnenbrille, eine kurze Jeansshorts und ein weißes Trägertop. Betont nachdenklich betrachte ich das Thermostat, dabei weiß ich auch so, dass es keine 20 Grad sind.
    Weil ich durch den Garten vorweglaufe, kann ich deinen Gesichtsausdruck nicht sehen, aber ich gehe davon aus, dass du überrascht bist, alle sind immer überrascht, wenn sie uns das erste Mal zusammen sehen, und alle sagen immer das Gleiche:
    Deine Schwester und du, ihr seht euch überhaupt nicht ähnlich.
    Aber natürlich stimmt das nicht. Nina und ich sehen uns ähnlich, und jeder, der genauer

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