Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Fremde Meer: Roman (German Edition)

Das Fremde Meer: Roman (German Edition)

Titel: Das Fremde Meer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hartwell
Vom Netzwerk:
schon treffen, aber sie wird mich nicht mögen«, höre ich mich nachsetzen.
    »Doch, wird sie bestimmt«, sagst du und schenkst dir so überschwänglich Saft ein, dass einige orangefarbene Spritzer auf der Tischplatte landen.
    Weil Effie um deine Wohnung weiß, um die Matratze auf dem Boden und den nicht vorhandenen Kühlschrank, übernachtet sie, wenn sie dich besuchen kommt, in einem Hotel.
    Das Hotel befindet sich in der Nähe des Bahnhofs, wo sie gegen Mittag eintrifft. Am Nachmittag sind wir mit ihr in einem Café verabredet.
    »Aber willst du dich nicht erst mit ihr alleine treffen?«, frage ich dich.
    Du winkst ab, aber an der Art, wie du kurz innehältst, erkenne ich, dass dir dieser Gedanke auch gekommen sein muss, du ihn aber, vermutlich aus dem Gefühl heraus, mich zu hintergehen, wieder verworfen hast. Als du den Kopf schüttelst, geschieht es ernst und feierlich.
    Das Café, in dem wir verabredet sind, kenne ich nur von außen. Auf dem Weg zur Universität laufe ich regelmäßig daran vorbei, käme aber nie auf die Idee, einen Fuß hineinzusetzen. Ein Stück Torte und Kaffee kostet dort ungefähr so viel wie unser Wocheneinkauf.
    Den Vormittag verbringe ich damit, mich an- und wieder auszuziehen.
    Zunächst entscheide ich, dasselbe wie immer zu tragen: eine schwarze Hose und einen schwarzen Pullover. Ich bin schließlich eine erwachsene Frau und muss mich deiner Mutter zuliebe nicht verstellen. Aber als ich mich im Spiegel sehe, scheint es mir unhöflich, mir so offensichtlich keine Mühe gegeben zu haben. Ich tausche Pullover und Hose gegen ein schlichtes Kleid, in dem meine Schultern unnatürlich breit wirken, ich noch größer als gewöhnlich scheine. Ich tausche das Kleid gegen einen grauen Rock und eine Bluse, in dem ich wie deine Mutter aussehe. Nur älter. Ich tausche die Bluse gegen einen Pullover mit weitem Rundhalsausschnitt, in dem ich mit meinen hervorstehenden Schlüsselbeinknochen bestenfalls essgestört, schlimmstenfalls wie ein Skelett wirke.
    Als du mich abholst, trage ich wieder den üblichen schwarzen Pullover, die übliche schwarze Hose und zur Feier des Tages: einen schwarzen Blazer.
    »Schön siehst du aus«, behauptest du, und ich hake mich bei dir ein.
    »Du wirst sehen«, sage ich, als wir aus der Wohnung und durchs Treppenhaus laufen. »Ich bin der Schwiegersohn, den sich deine Mutter immer gewünscht hat.«
    Effie Krohn sieht genauso streng aus wie auf dem Foto. Aber nicht so schön.
    Weil wir eine Viertelstunde zu spät sind, hat sie bereits für uns bestellt. Der Kellner kommt und bringt Kaffee und drei Teller mit Eierlikörsahnetorte. Vor Aufregung ist mir schon seit Stunden schlecht, nun zieht sich mein Magen vor Schreck zusammen. In den ersten Minuten habe ich Schwierigkeiten, eurer Begrüßung zu folgen, bin vertieft in die Betrachtung des Tortenstücks, das mit jeder Sekunde größer zu werden scheint.
    Deine Mutter mustert mich unauffällig, aber so, dass ich es bemerke. Und ohne dass sie etwas sagt, gelingt es ihr, mich an all das zu erinnern, was ich ohnehin nie wirklich vergesse: dass ich älter bin als du und auch älter aussehe. In meinem schwarzen Blazer fühle ich mich nicht länger unauffällig, sondern so, als sei ich für eine Beerdigung gekleidet.
    Ich habe mit einem Verhör gerechnet, damit, dass mich deine Mutter ausführlich und genau befragen würde zu meiner Person, meiner Vergangenheit, meiner Zukunft. Doch zunächst fragt sie mich bloß nach der Zuckerdose. Dann unterhaltet ihr euch über Menschen, die ich nicht kenne, über Orte, an denen ich nie gewesen bin. Wenn ihr lacht, dann stimme ich mit ein, weil ich denke, dass es höflich ist, aber deine Mutter wirft mir verwunderte Blicke zu, und natürlich hat sie recht: Ich verstehe eure Scherze nicht. Also gebe ich das Lachen auf und starre in meinen Kaffee, während ihr über die Milch-Hanna redet und die alte Fabrik, die endlich abgerissen wurde. Ich pikse mein Kuchenstück, als wollte ich es quälen, und kontrolliere unauffällig die Uhrzeit.
    Irgendwann sagt deine Mutter zu dir, dass es so schön sei, dich zu sehen. Mir scheint der Satz unvermittelt ins Gespräch gesetzt. Die Tonlage, in der Effie spricht, ändert sich, genau wie ihre Lautstärke. Sie nimmt deine Hand und drückt sie einen Moment. Man könnte denken, ihr hättet einander Jahre nicht gesehen, dabei hast du sie erst vor zwei Monaten besucht.
    Während ihr sprecht, mustere ich Effie verstohlen. Ich versuche, dich in ihren

Weitere Kostenlose Bücher