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Das Fremde Meer: Roman (German Edition)

Das Fremde Meer: Roman (German Edition)

Titel: Das Fremde Meer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hartwell
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den Wänden. Es gibt Platten und Plattenspieler, aber keinen Kleiderschrank. Du schläfst auf einer Matratze in der Mitte des Raumes.
    »Ich brauche viel Platz«, sagst du und lächelst.
    Wann immer du gezwungen bist, über dich zu sprechen, lächelst du wie ein Kind, das gerade etwas besonders Albernes oder Verrücktes erzählt hat, eine für jeden unschwer zu erkennende Lüge. Mit diesem Lächeln erzählst du mir, dass du fotografierst. Dass du dich als Kind oft gefürchtet hast; dass deine Mutter am Telefon gerne scherzt, du habest Deutschlands Norden den Rücken gekehrt, um von ihr fortzukommen, dass ihr dann darüber lacht, du dir aber tatsächlich Vorwürfe machst.
    »Wofür brauchst du viel Platz?«, frage ich dich, als du mir deine Wohnung zeigst. Ich schaue mich vergeblich nach Leinwänden, ausgequetschten Öltuben oder verstörenden Installationen um. »Was machst du eigentlich genau an der Kunsthochschule? Malst du oder …?«
    »Nein, ich kann nicht besonders gut malen. Obwohl ich es immer wieder versucht habe, so wie du mit der Musik. Wann hast du eigentlich aufgehört mit dem Klavierspielen?«
    Bis vor kurzem wäre ich noch auf dich hereingefallen. Ich hätte dir von meinen unruhigen Fingern erzählt, denen es unmöglich war, die vorgesehene Abfolge an Bewegungen zu meistern, davon, wie ich lernte, leichthin zu behaupten, meine musikalische Begabung läge eher in der Rezeption, mich tatsächlich aber nie recht damit abfand, dass es etwas gab, das ich nicht konnte, gleich, wie sehr ich es können wollte. Aber ich falle nicht mehr auf dich herein.
    »Was machst du dann?«, frage ich. »Wenn du nicht malst.« Unsicher setze ich hinzu: »Irgendwas muss man doch können, um an so einer Kunsthochschule genommen zu werden?«
    Du lachst und winkst ab, als seist du eigentlich anderer Meinung.
    »Bloß Fotografie.«
    Alles, was du kannst, ist immer »bloß«, und ich ziehe dich bereits damit auf. Wärest du ein Wissenschaftler, sage ich zu dir, würdest du dich »bloß« mit Quantenphysik beschäftigen.
    »Was für Fotografien?«, frage ich.
    »Der übliche Kunstkram«, sagst du.
    »Ja, aber was für Fotografien?«
    »Das ist … nicht besonders aufregend. Was ich so mache, das ist nicht sehr interessant.«
    »Und zeigst du sie mir trotzdem?«, frage ich.
    Du zuckst die Achseln, als müsse das jemand anderes entscheiden, dann durchquerst du den Raum und öffnest eine Tür, die mir gleich beim Reinkommen aufgefallen ist. Weil mich bei ihrem Anblick ein bedrückendes Blaubartgefühl überkommen hat, habe ich nicht nach ihr gefragt. Dahinter liegt eine Kammer, nicht mehr als sechs Quadratmeter groß. Hier bewahrst du deine Fotografien auf, kleine Bilder, die du aus beigefarbenen Mappen hervorholst und vor mir ausbreitest.
    In den folgenden Monaten werde ich wiederholt feststellen, dass du in deinem Freundeskreis als besonders begabt giltst. Deine Freunde – und die meisten von ihnen studieren ebenfalls an der Kunsthochschule – sprechen anerkennend von deiner Arbeit. Ich nicke dann bestätigend, und auch dir gegenüber versuche ich mich in zaghaften Komplimenten. Die Wahrheit aber ist, dass ich erschrecke, als ich die Bilder das erste Mal sehe. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, vielleicht nichtssagende Landschaftsaufnahmen in Schwarz-Weiß. Dann könnte ich zumindest höflich anmerken, dass du »die raue Schönheit der Natur« eingefangen habest. Vielleicht habe ich auch bloß mit etwas gerechnet, das ich in Einklang bringen kann mit der Person, die ich kenne. Nachdem ich die Aufnahmen zum ersten Mal gesehen habe, hege ich lange Zeit den nicht ganz ausformulierten Verdacht, dass nicht wirklich du die Bilder gemacht hast.
    Auf allen Fotografien sind Menschen abgebildet. Starr und leblos wirken sie, wie sie in den immer gleichen altmodisch eingerichteten Zimmern stehen oder sitzen. Weil ich mich nie mit Fotografie beschäftigt habe, fällt mir zwar auf, dass etwas an den Bildern sonderbar ist, dass du eine besondere Technik verwendet zu haben scheinst, doch wüsste ich nicht, worin diese besteht. Das Verhältnis der Menschen zu den Räumen, die sie umgeben, stimmt nicht recht. Ich halte die Fotografien dicht vors Gesicht und entdecke silberne Streifen in den Armen und Beinen der verloren wirkenden Männer und Frauen. Stockend erklärst du mir, dass ich nicht eine, sondern drei Fotografien in den Händen halte.
    »Sie sind alle aus dem Haus meiner Großeltern. Vor ein paar Jahren, als ich sie kurz vor ihrem Tod

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