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Das Fremde Meer: Roman (German Edition)

Das Fremde Meer: Roman (German Edition)

Titel: Das Fremde Meer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hartwell
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Fragen stellen kann, die mir schon seit langem durch den Kopf gehen. Wir erreichen unser Haus, wir steigen die Treppenstufen hinauf, und der Moment kommt nicht, und ich begreife, dass er auch in absehbarer Zeit nicht kommen wird, du mir nicht mit leiser Stimme dein Herz ausschütten wirst. Und noch etwas verstehe ich, während ich hinter dir Stufe um Stufe erklimme. Dass ich dich liebe, wegen dieser Geschichte, die ich nicht kenne, die mir nie erzählt worden ist. Dass du ein Mensch bist, der sich sorgt, um das Große und das Kleine, manchmal um sich selbst, vor allem aber um andere. Wie du dich stets vorsichtig bewegst, im Glauben, jede zu rasch ausgeführte Bewegung müsse zum unaufhaltsamen Bruch von Gläsern und Vasen führen. Wie du so sacht bist, und leise und umsichtig sprichst. Das alles, verstehe ich, wächst aus dieser unerzählten Geschichte, diesem mir unbekannten Verlust, der dich fern von mir hält und mich dir nah sein lässt.
    *
    Auch du hast Geheimnisse, hast deine stillen Stunden und wachen Nächte. Nächte, von denen deine Freunde nicht wissen, ich aber, ich weiß um sie. Ich liege neben dir, wenn du aufschreckst, wenn du hochfährst, lange Zeit beinahe jede Nacht.
    An der Grenze zwischen Wachen und Schlafen scheust und stolperst du.
    Du hast mich nicht gewarnt, willst deine Nachtschrecken für dich behalten, und die Schatten, die dich aus der Ruhe bringen, die zu krabbeln und zu kriechen beginnen, denen zarte Fühler wachsen und Flügel und Stacheln, Schatten, die dich mit Facettenaugen fragend oder gierig anstarren.
    In den ersten Nächten ziehst du mich mit in deine Welt, du rufst: »Die Spinnen!«, und ich springe mit dir auf, stehe mit dir in der Dunkelheit, mit klopfendem Herzen und aufgerissenen Augen, suche die Wände ab, die Ecken, suche nach den Spinnen, die dich aus dem Schlaf getrieben haben.
    Wir finden keine Spinnen, wir finden keine Grashüpfer, keine Grillen und keine Raupen. Wir suchen vergebens. Nachdem ich den Glauben an die nächtlichen Heimsuchungen lange schon verloren habe, schlägst du noch mit derselben gehetzten Überzeugung um dich.
    »Nein, doch, dieses Mal sind sie wirklich da.«
    »Da ist nichts, schau«, versichere ich, weiß aber schon und habe verstanden, dass es mehr brauchen wird als meine Worte, um dich zu beruhigen. Wir müssen das Licht anschalten, die kleine Lampe auf dem Nachttisch und die große an der Decke. Dann lasse ich dich die Matratze absuchen und die Zimmerdecke. So lange, bis auch du glauben kannst, dass die Tiere in dieser Nacht, wie in jeder zuvor, bloß durch deinen Kopf und nicht durch das Zimmer gespukt sind. Erst nachdem du auch die Ecken und jeden Winkel kontrolliert hast, kannst du dich wieder hinlegen, dein Kopf an meinem Hals, und dein Herz schlägt noch immer schnell; etwas hat von innen an dir gerüttelt, hat hinter deinen Rippen und in deinem Kopf einen kleinen Sturm, ein leichtes Beben ausgelöst.
    *
    Nachts liegen wir im dunklen Zimmer, und es ist still bis auf die Straßenbahn, die im Stundentakt vorbeifährt. Ich erzähle dann noch lange, meine Worte (auch damals schon) ein Bollwerk, ein Wall gegen die Stille, gegen Ängste, die sich nicht aussprechen lassen. Ich erzähle dir meine Geheimnisse und meine Erinnerungen.
    In den ersten Wochen, lange vor der gemeinsamen Wohnung, vor dem Essen bei Lotta, wunderte ich mich nicht darüber, dass du schwiegst. Eine Zeitlang dachte ich, du seist ein Mensch frei von Geheimnissen und dass es keine verschlossenen Truhen in deinen Kellern gäbe, nein, nicht einmal Keller. Deine geflügelten Gespenster dann lassen mich ahnen, dass ich nicht gut genug hingeschaut, nicht gut genug hingehört habe. Es folgen die Monate, die Jahre, in denen ich nicht weiß, welche Fragen ich dir stellen soll und ob ich sie stellen will. Und in den Monaten und in den Jahren gibt es Andeutungen, gibt es Momente, in denen das Gespräch stockt, wir straucheln und innehalten, uns neu sammeln und fangen müssen, die Köpfe schütteln, kurz nur, als hätte uns ein Schwindel erfasst; bevor wir dann, bevor wir weitersprechen, als sei nichts gewesen. Stocken und Kopfschütteln und Schweigen, viele Monate, bis ich schließlich, bis ich eines Nachts sage: »Erzähl mir etwas, das ich noch nicht weiß.«
    Und das ist alles, was es braucht, denn in dieser Nacht erzählst du von einem, der verschwand.
    Du erzählst mir von deinem Vater.
    Wenn es sich vermeiden lässt, verlierst du kein Wort über ihn, das habe ich bemerkt, es ist mir

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