Das fünfte Buch: Neue Lebensläufe. 402 Geschichten (German Edition)
Mannes und hat sich ein Bild verschafft, das die Belagerung von Metz zeigt: Auf diesem Bild ist der Herzog als Teil der Kampfhandlung abgebildet. Mehr als ein geheimes Einverständnis und diese Beutestücke verbindet die beiden Liebenden zunächst nicht.
Die Verstrickung der Tochter durch die Mutter ...
Die Intrige der passion , die das Ziel hat, sich letztendlich offen und beweisbar durchzusetzen, besitzt eine andere Intrige als Unterströmung. Dies ist die innige Bindung der Tochter an die lebenskluge Mutter, Madame de Chartres. Peggy Kamuf hat in ihrem Essay A Mother’s Will. The Princess of Clèves 18 diesen unterirdischen Minengang in Madame de La Fayettes Roman gekennzeichnet. Die Mutter will die Tochter, so Peggy Kamuf, weder der Realität noch der verwirrenden Hofgesellschaft und der Gewalt der dortigen Männerwelt aussetzen, noch will sie überhaupt dieses bezaubernde Geschöpf, das sie geboren und erzogen hat, an irgendwen fortgeben. Ihr war es ganz recht, die Tochter mit einem Mann wie dem Prinzen von Clèves zu verheiraten, den diese nicht liebt. So ist die Tochter dort nur verwahrt und ausgeliehen. Das rächt sich, als die passion dazwischentritt.
Der Roman der Madame de La Fayette mag sich in vielerlei Hinsicht der Psychologie gegenüber gleichgültig verhalten, in dem beschriebenen Kampf um Liebeseigentum (das der Mutter, das des Ehemannes, das vom Herzog von Nemours angestrebte) ist die psychische Dynamik exakt wiedergegeben. Sie steht aber nirgends allein, da die Dynamik der Zufälle, die Gewalt anderer Intrigen, der Vorurteile und Standards hinzutreten.
Wie die Prinzessin dreizehnmal ICH sagt ...
Die grausame Unruhe, welche die Prinzessin umtreibt, wird verstärkt, als sie glaubt, der Herzog liebe eine andere Frau. Von da an hält die Prinzessin es für unmöglich, daß seine Leidenschaft sie glücklich machen könnte. Das führt zu ihrer konsequenten Haltung am Ende des Romans.
»Doch selbst, wenn sie [die Leidenschaft des Herzogs] mich glücklich machen könnte«, sagte sie, »was soll ich tun? Soll ich sie dulden? Soll ich sie erwidern? Soll ich eine Liebschaft eingehen? Soll ich Monsieur de Clèves, soll ich mir selbst untreu werden? Soll ich die grausame Reue und den tödlichen Schmerz, den die Liebe mit sich bringt, auf mich nehmen? [...] Alle meine Vorsätze sind nutzlos. Ich dachte gestern, was ich heute denke, und tue doch heute das Gegenteil von dem, was ich mir gestern vornahm. Ich muß mich von Monsieur de Nemours losreißen, ich muß aufs Land fahren [...] und wenn Monsieur des Clèves darauf beharrt, es mir zu verwehren oder den Grund zu erfahren, so werde ich ihm und mir vielleicht den Schmerz antun, es ihm zu sagen.«
In elf zum Teil sehr kurzen Sätzen meldet sich das ICH der Protagonistin dreizehnmal zu Wort. Die passion und das ICH ALS FESTUNG befinden sich im Kampf miteinander. Die Folge ist ein tödlicher Fehler, der Höhepunkt des Romans, das sogenannte Geständnis der Prinzessin.
Das Geständnis ...
Der Prinz von Clèves ist mißtrauisch. Er hat den Verdacht, daß die Prinzessin den Herzog von Nemours lieben könnte. Der Wunsch der Prinzessin, abzureisen und sich so jeder Begegnung mit dem Herzog zu entziehen, irritiert ihn. Daraufhin tut die Prinzessin etwas, was nach den Konventionen der Zeit verboten ist: Sie gesteht ihrem Mann, daß sie einen anderen liebt. Sie nennt aber nicht dessen Namen. Ihr Mann versucht alles, ihn zu erfahren. Sie schweigt.
Diese »Flucht in die Wahrheit« glaubt die Prinzessin ihrer amour propre schuldig zu sein. An sich ist es nicht üblich, den Ehepartner in die subjektive Intimität blicken zu lassen. Es wird todbringende Eifersucht auslösen. DIE EIFERSUCHT IST DER TOTENGRÄBER DER LIEBE . Es wird auch immer nur eine halbe Wahrheit sein, die unter dem Namen der Wahrhaftigkeit geäußert wird. Dieses Geständnis ist vergiftet. Es führt zum Tod des Prinzen. Es hilft nichts, daß die Prinzessin ihn in seinem Elend später hingebend pflegt. Der Prinz von Clèves braucht für seine unheilbaren Wunden nicht Pflege, keine Wahrheit, sondern ein Zeichen authentischer Liebe.
Der Charakter des Prinzen von Clèves ...
Madame de La Fayette, wie offenbar auch die Mutter der Prinzessin, nimmt in der Darstellung des Romans Partei für den Prinzen. Er versteht die Prinzessin, sie versteht ihn nicht. Das Leben mit ihm hätte für die Prinzessin Gebrauchswert gehabt, das mit dem Herzog von Nemours vermutlich nicht. Der Prinz von Clèves hat einen
Weitere Kostenlose Bücher