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Das Fuenfte Evangelium

Das Fuenfte Evangelium

Titel: Das Fuenfte Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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daß die Orphiker alle Hebel in Bewegung setzen würden, um ihrer habhaft zu werden. Getrennte Wege verdoppelten ihre Chance. Vor allem war die anonyme Reise mit einem Fährschiff sicherer als eine Flugpassage. Als Treffpunkt vereinbarte Adrian mit ihr das Hotel ›Castello‹ in Bari.
    Drei Tage später kam Anne von Seydlitz in Bari an; aber das von Kleiber genannte Hotel ›Castello‹ existierte nicht. Es gab auch kein Hotel ähnlichen Namens, und von Adrian fehlte jede Spur.

Achtes Kapitel
    D AS A TTENTAT dunkle Hintermänner
1
    J edesmal wenn sie sich begegneten, und dies geschah zwangsläufig mehrmals am Tag, schlug Kessler die Augen nieder – er schämte sich. Er schämte sich mit der Scham eines reuigen Christenmenschen, weil er diesen Stepan Losinski, dem er auf wissenschaftlichem Gebiet soviel Hochachtung entgegenbrachte, seit Wochen mit Argwohn verfolgte wie einen Verbrecher, obwohl sie beide das Band ihres Ordens und die geheime Aufgabe in der päpstlichen Universität Gregoriana verband. Doch gerade dieser geheime Auftrag war es, der zunehmend Zwietracht säte unter den Jesuiten und der den Leitspruch über dem Saal, in dem sie, abgeschirmt von der Außenwelt, der Entschlüsselung jenes Pergaments nachgingen – Omnia ad maiorem Dei gloriam –, zur Farce machte wie ein Rorate-Amt zu Pfingsten.
    Nun ist Zwietracht an sich nichts Schlechtes, schon gar nicht verwerflich, weil gegenteilige Meinungen einer Sache mehr dienen als stupide Harmonie; in Glaubensfragen der römischen Kirche aber gilt dieser Grundsatz nicht, weil schon der Evangelist Matthäus seinem Herrn und Meister die Worte in den Mund legte: Es werden falsche Messiasse aufstehen und falsche Propheten; und sie werden große Zeichen und Wunder tun, um, wenn möglich, sogar die Auserwählten zu verführen.
    Dies war die prophezeite Stunde, jedenfalls glaubten das jene unter den Jesuiten, die für Professor Manzoni sprachen, denn an jedem Tag, der neue Textstellen des Pergaments bekanntmachte, wuchs der Verdacht, daß alles ganz anders gewesen sein könnte mit unserem Herrn Jesus. Jedenfalls hatten sich in dem Saal zwei Parteien gebildet, jene der Eintracht unter Manzoni, der sich mit frommen Worten den neuen Erkenntnissen entgegenstemmte wie Joseph dem Weibe Potiphars, und jene der Zwietracht, die in Losinski ihren Anführer sah. Zu ihr gehörte auch Kessler.
    Dr. Kessler hatte nicht geringen Anteil an den Übersetzungen des koptischen Pergamentes; er wußte um den bisher bekannten Inhalt genau Bescheid und hegte keinen Zweifel, daß es sich dabei um das Ur-Evangelium handelte, und für ihn und Losinski war es nur noch eine Frage von Wochen, wann die Kurie ihre Arbeit zur Geheimsache erklären und alle damit befaßten Jesuiten von der Außenwelt abschotten würde wie das Kardinalskollegium im Konklave.
    Losinski, der verschlagene Pole, begab sich noch immer zweimal in der Woche abends in Richtung des Campo dei Fiori, wo er in die dunkle Seitenstraße einbog und nach hundert Metern in dem sechsstöckigen Haus verschwand. Mindestens siebenmal war ihm Kessler gefolgt, unbemerkt und in der Hoffnung, irgendeine Auffälligkeit zu beobachten oder nur einen Hinweis zu erhaschen auf den Grund seiner nächtlichen Streifzüge. Aber er hatte sich nur die Beine in den Bauch gestanden und die Aufmerksamkeit zweier Polizeistreifen erregt, die, zufällig oder nicht, des Weges kamen, worauf es Kessler ratsam erschien, das Weite zu suchen.
    Frömmigkeit und Verbrechen gehen nirgends so Hand in Hand wie in Rom, und Kleriker, in üble Machenschaften verwickelt, sind keine Seltenheit. Der Teufel trägt auch Talar. Jedenfalls glaubte Kessler Losinski in dunkle Geschäfte verstrickt, vielleicht aber auch in sexuelle Ausschweifungen niedrigster Art, denen er zweimal in der Woche nachging. So dachte er.
    Aber nichts ist so absurd wie die Wirklichkeit, und die Wirklichkeit offenbarte sich Kessler auf unerwartete Weise am Tag nach Epiphanie, besser: am Abend dieses Tages, der kalt war und grau wie die meisten Tage um diese Jahreszeit. Er hatte Losinski wieder einmal verfolgt bis zu jenem rätselhaften Haus, diesmal jedoch mit dem festen Vorsatz, seine Nachforschungen einzustellen für den Fall, daß er wieder erfolglos bliebe. Aus diesem Grund ging Kessler ein größeres Risiko ein als die Male zuvor, indem er dem Polen direkt auf den Fersen blieb und ihm sogar in das düstere Treppenhaus folgte, wo Losinski hinter einer weißgestrichenen Tür im dritten Stock

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