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Das Fuenfte Evangelium

Das Fuenfte Evangelium

Titel: Das Fuenfte Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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übermalt?«
    »Ganz richtig. Es ist zu vermuten, daß er irgendeinen Hinweis auf dieses Geheimnis hinterlassen hat, einen Hinweis, auf den der Professor bei seinen Forschungen gestoßen ist, den jedoch offensichtlich kein Kunsthistoriker ernst genommen hat. Scheinbar wußte er keinen anderen Rat, als so seine Theorie zu beweisen.«
    So sehr ihn die Erklärung faszinierte, so stand Kessler Losinski noch immer skeptisch gegenüber: »Nun gut, angenommen Sie haben recht und Leonardo war in der Tat Mitwisser eines Weltgeheimnisses, dann stellt sich natürlich die Frage, von wem wurde er eingeweiht und wem hat er sein Geheimnis weitergegeben?«
    Losinski starrte vor sich auf den Boden. Er schwieg und wirkte durch die Frage verletzt. Dieser Kessler schien seiner Rede noch immer nicht mit dem gebührenden Ernst zu folgen. Schließlich antwortete er: »Das weiß ich nicht, ich weiß es nicht. Vielleicht wissen es andere. Es gibt viele große Geister, in deren Werk dunkle Hinweise vorhanden sind, die niemand zu deuten weiß. Vor Leonardo ist es Dante, nach ihm sind es Shakespeare und Voltaire, vor allem Voltaire, dessen Name, den er sich selber gab – er hieß eigentlich Arouet –, ein Anagramm ist, so wie Leonardos Kette und die Darstellung im Titus-Bogen versteckte Anagramme sind. Den beiden Darstellungen und Voltaires Namen ist gemeinsam, daß sie sich aus jeweils acht Buchstaben zusammensetzen. Ich bin ganz sicher, daß sich hinter dem Namen Voltaire der Hinweis auf seine Mitwisserschaft verbirgt. Ich habe den Namen in seine Buchstaben zerlegt und versucht, daraus französische Wörter zu bilden, die, aneinandergereiht, einen Sinn ergeben, ich habe ganze Nächte dabei verbracht – ohne Ergebnis.«
    »Vielleicht irren Sie sich mit Ihrer These. Vielleicht steckt hinter dem Namen Voltaire nur ein einfaches Wortspiel.«
    »Ja, ich weiß, irgendwelche Einfaltspinsel sehen in dem Namen Voltaire ein Anagramm aus AROVET L(e) J(eune), also Arouet der Jüngere. Aber diese holpernde Deutung ist eines Voltaires unwürdig. Ein Mann, der zu den größten Geistern der Weltgeschichte zählt, verbirgt sich nicht hinter einem so harmlosen Wortspiel. Voltaire glaubte zwar an Gott als Ursprung der moralischen Ordnung, aber für christliche Mysterien fehlte ihm der Sinn, vor allem für die heilige katholische Kirche. Der Mensch, behauptete er, bedürfe keiner göttlichen Erlösung, und an den Bibeltexten ließ er kein gutes Haar. All das ist höchst ungewöhnlich für einen Mann seiner Zeit, wird aber verständlich, wenn man zugrunde legt, daß er um das Weltgeheimnis wußte. Kessler, ich bin sicher, er wußte Bescheid, als er diesen seltsamen Namen Voltaire annahm!«
    »Mit Verlaub«, wandte Kessler ein, »wenn ich Sie recht verstehe, dann steht Voltaire mit diesem Relief im Titus-Bogen in Zusammenhang?«
    Losinski nahm dem Mitbruder die Fotografie aus der Hand und hielt sie ihm provozierend vors Gesicht: »Was sehen Sie auf diesem Foto, Kessler?«
    »Römische Legionäre mit ihrer Beute.«
    »Und worum handelt es sich bei dieser Beute?«
    »Ich erkenne einen – vielleicht goldenen – Badescheffel, ein Lamm, einen Baumzweig, einen Elch, eine Kriegsfahne, ein Zweigespann, eine Ente und eine Ähre. Was ist daran ungewöhnlich?«
    »An der Beute an sich – nichts, fast nichts. Aber es gibt da einen Hinweis, der den aufmerksamen Betrachter mißtrauisch machen muß.«
    »Der Elch!«
    »In der Tat. In dem Land, in dem Titus und seine Legionäre Beute machten, gibt es die wundersamsten Wüstentiere, aber keine Elche. Dieses Paradoxon wurde vom Schöpfer des Reliefs also mit Bewußtsein gewählt, um einen Hinweis zu geben, daß sich hinter der Darstellung eine geheime Botschaft verbirgt.«
    »Aber Kaiser Titus muß doch den Entwurf begutachtet und seinen Bildhauern gesagt haben: ›Ich erinnere mich nicht, einen Elch unter unserer Kriegsbeute gesehen zu haben!‹«
    »Das hätte er zweifellos getan, Bruder, aber Titus hat seinen nach ihm benannten Triumphbogen nie gesehen. Der wurde erst nach seinem Tod von seinem Bruder und Nachfolger Domitian errichtet, und der junge Mann hatte solche Probleme, daß ihm Einzelheiten auf einem Denkmal mit Sicherheit so gleichgültig waren wie die Worte der römischen Philosophen. Und die Römer selbst waren ein dummes Volk. Sie kannten nur ihre Hauptstadt, und alles, was außerhalb ihrer Grenzen lag, betrachteten sie als exotisch. Ihnen wäre nicht einmal aufgefallen, wenn Pinguine in diesem Beutezug

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