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Das Fuenfte Evangelium

Das Fuenfte Evangelium

Titel: Das Fuenfte Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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zweiten Frage, Bruder Kessler.«
    Ohne den Blick von der Fotografie zu lassen, sagte Kessler: »Das klingt phantastisch. Es muß doch einen Grund geben, warum frommen Christenmenschen der Anblick dieser Darstellung verboten wurde. Ich selbst erkenne nur Soldaten mit ihrer Beute, mit Gerätschaften und Tieren, die sie nach Hause bringen, ich sehe keine nackte Frauensperson und kein Fluchwort gegen die eine heilige katholische Kirche. Aber irgend etwas muß Seine Heiligkeit doch in Unruhe versetzt haben! Ich platze, wenn Sie mich nicht sofort in das Geheimnis einweihen.«
    »Die Wahrheit wird Sie nicht glücklicher machen«, wandte Losinski ein, »ich muß Sie warnen!«
    »Mag sein«, erwiderte Kessler, »aber Unwissenheit macht mich krank. Also reden Sie schon!«
4
    D ie beiden Männer erhoben sich. Im Gehen fiel Losinski das Reden leichter. Vor allem mußte er sich nicht vor unliebsamen Lauschern fürchten, und so gingen sie in Richtung der Kurie über die glatten Quadersteine der Heiligen Straße, und Losinski begann weit ausholend, indem er Kessler eine Frage stellte: »Bruder, erinnern Sie sich an einen Vorfall, der vor zwei Monaten durch die Zeitungen ging: Ein geistesverwirrter Professor spritzte im Louvre Säure über ein Madonnenbild von Leonardo.«
    »Ja, ich erinnere mich dunkel«, antwortete Kessler, »wieder so ein Verrückter. Sie brachten ihn in die Irrenanstalt, wo er starb. Armer Irrer.«
    »So, glauben Sie.« Losinski blieb stehen und sah Kessler prüfend an.
    Der lachte abfällig und bemerkte: »Aus Liebe zur Kunst wird er es wohl nicht getan haben.«
    »Nein«, antwortete Losinski, »aber vielleicht aus Liebe zur Wahrheit.« Und im selben Atemzug fügte er hinzu: »Sie müssen schweigen. Kein Wort von dem, was ich Ihnen jetzt sagen werde! Es ist in Ihrem eigenen Interesse.«
    »Mein Wort, bei Gott und allen Heiligen!« Der geschichtsträchtige Ort, die zweitausend Jahre alten Säulen und Figuren schienen Kessler der geeignete Rahmen für eine bedeutungsvolle Eröffnung.
    Losinski hatte diese Reaktion erwartet, aber er ließ sich nicht beirren und fuhr fort: »Seit beinahe zwei Jahrtausenden gibt es ein Geheimnis, in das nur wenige eingeweiht sind. Es wird von Generation zu Generation weitergegeben unter der Bedingung, es niemals in schriftlicher Form festzuhalten. Denn der erste Hüter dieses Geheimnisses sprach die Worte: Alle Schrift ist vom Teufel. Damit das Unerklärliche jedoch nicht verlorengeht, ist es den jeweiligen Geheimnisträgern gestattet, ihr furchtbares Wissen auf ihre Art zu verschlüsseln.«
    »Ich verstehe«, unterbrach Kessler den Koadjutor, und seine Stimme klang aufgeregt. »Leonardo da Vinci war einer jener Geheimnisträger, und dieser Professor muß irgendeinen Hinweis auf sein Wissen gefunden haben.«
    »Ja, so muß es gewesen sein. Denn der Professor schüttete die Säure zielgerecht auf eine Stelle des Bildes, wo etwas zum Vorschein kam, womit niemand rechnen konnte: Leonardos Madonna trug eine Halskette mit acht verschiedenen Edelsteinen. Als ich davon hörte, wurde mir sofort bewußt, womit wir es zu tun hatten. Es war die gleiche Entdeckung, die der Kardinalstaatssekretär von Pius VII. auf dem Relief des Titus-Bogens gemacht hatte.«
    Kessler blieb erschreckt stehen. Er hüpfte unruhig von einem Fuß auf den anderen. »Wenn ich nicht wüßte, daß Sie ein ernsthafter Mensch sind, Bruder Losinski, würde ich glauben, Sie treiben Ihre Späße mit mir.«
    Losinski blickte ernst, er nickte und fuhr fort: »Ich verstehe Ihre Bedenken, Kessler. All das ist wirklich schwer zu begreifen – vor allem, wenn man es von einem Augenblick auf den anderen erfährt. Ich selbst habe Jahre daran gearbeitet und die Wahrheit bruchstückweise erfahren, es war, als setzte ich ein Mosaik aus einzelnen Steinchen zusammen, so daß erst allmählich ein Gesamtbild erkannt werden konnte. Sie, Bruder, werden mit einem Mal mit dem Gesamtbild konfrontiert.«
    »Zurück zu Leonardo!« forderte Kessler fieberhaft.
    »Der deutsche Professor, der in Amerika das Fach Komparatistik lehrte, muß durch Literaturstudien auf einen Hinweis gestoßen sein, der ihn in der Erkenntnis bestärkte, daß Leonardo da Vinci in das Geheimnis eingeweiht war und es in einem seiner Werke verschlüsselt hat. In diesem Fall in einer Halskette, an der er jeden Edelstein präzise ausarbeitete, daß er für jeden Fachmann erkennbar ist.«
    »Und als er die Kette auf seinem Gemälde vollendet hatte, hat er sie

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