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Das Fuenfte Evangelium

Das Fuenfte Evangelium

Titel: Das Fuenfte Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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wir leben.«
    Cesare Bonato wollte es damit bewenden lassen, und er machte eine Bemerkung, die geeignet ist, jedem Papisten Schamröte ins Gesicht zu treiben: »Es wäre nicht die erste Enzyklika, die, obwohl für die Gläubigen verfaßt, diese nie erreicht. Ich denke nur an Pius XI.«
    Die Bemerkung traf Padre Vilosevic hart wie der Schlag eines Boxers. Vilosevic suchte mit den Augen den Ausgang, aber die Journalisten hatten ihn umringt; an ein Entkommen war nicht zu denken. Der Padre, Brady und die meisten anderen wußten, worauf Bonato anspielte: Pius XI. hatte 1938 eine Enzyklika Humani Generis Unitas vorbereitet, die nie veröffentlicht wurde. Die Umstände, warum sie nie herausgegeben wurde, blieben ungeklärt, klar ist nur, daß der päpstliche Erlaß mit dem Thema Rassismus und Antisemitismus für jene Zeit von großer Bedeutung gewesen wäre.
    Auf diese Weise in die Enge getrieben, ging Vilosevic zum Angriff über, er attackierte Bonato: »Vielleicht sind Ihre Kontakte zur Kurie besser als die meinen. Was wissen Sie über die neue Enzyklika? Das würde mich interessieren.«
    Vilosevic' ironisch gemeinte Bemerkung war dazu angetan, den Unwillen der übrigen Journalisten zu wecken, und es kam zu einem Durcheinander, in dessen Verlauf sich herausstellte, daß lange schon wilde Gerüchte im Umlauf waren über ein neu entdecktes Pergament aus der Zeit des Jesus von Nazareth, dessen Übersetzung vom Heiligen Offizium unter Verschluß gehalten werde wie die Weissagungen des Malachias, deren Inhalt bekannt ist, die jedoch noch kein gewöhnlicher Mensch zu Gesicht bekommen hat.
    »Alles Gerüchte!« rief Vilosevic zornig, und im Zorn schwoll auf seiner Stirn eine senkrechte Ader von dunkler Farbe, die seinem Aussehen etwas Dämonisches verlieh. »Nennen Sie mir die Quelle Ihrer Informationen, dann will ich mich gerne für Sie einsetzen und eine offizielle Stellungnahme erwirken!«
    Brady lachte hämisch. Kein Journalist der Welt nennt, so er über vertrauliche Informationen verfügt, seinen Informanten, denn das bedeutet das Ende dieser Nachrichtenquelle. Auch Bonato hatte für den Pressemann des Vatikans nur ein mitleidiges Lächeln übrig. Doch die so in Gang gekommene Diskussion machte deutlich, daß jeder der anwesenden Journalisten von der seltsamen Unruhe gehört hatte, die sich seit geraumer Zeit im Vatikan breitmachte. Allerdings wußte ein jeder vom Hörensagen einen anderen Grund. Ein spanischer Radiokorrespondent sprach von einer schweren unheilbaren Krankheit seiner Heiligkeit; der Kolumnist des ›Messagero‹ wußte gar, daß sich das dritte Geheimnis der Prophezeiungen von Fatima auf furchtbare Weise erfüllt habe (ohne freilich den Grund der Furchtbarkeit zu kennen); der römische SPIEGEL-Korrespondent glaubte zu wissen, der Zölibat werde noch in diesem Jahr fallen; und Larry Stone von ›Newsweek‹ wollte gar von einem Massenaustritt der südamerikanischen Bischöfe aus der Kirche wissen – eine Spekulation, die, trotz der Ernsthaftigkeit Stones, in heftigem Gelächter unterging.
    Vilosevic nutzte die unverhoffte Heiterkeit, um sich aus der Sala d' Angeli zu drängen, er raffte seine Soutane, eine Haltung, die einen Padre äußerst unwürdig erscheinen läßt, aber sich trefflich eignet, seinen Schritten größere Weite und infolgedessen ihm eine höhere Geschwindigkeit zu verleihen. In dieser Haltung hastete Vilosevic den langen, steinernen Korridor entlang zu der Marmortreppe, die zum dritten Stock des Apostolischen Palastes führt, wo hinter hohen weißen Türen, die alle bis auf eine von innen verschlossen sind, der Kardinalstaatssekretär residierte.
2
    M it Felici, dem Kardinalstaatssekretär, einem gütigen alten Mann mit kurzen weißen Haaren und zitternden Händen – er führte sein Amt schon unter drei Päpsten –, pflegte Vilosevic ein vertrauensvolles Verhältnis, man kann auch sagen, Vilosevic war sein Gefolgsmann; aber diese Gefolgschaft machte ihn gleichzeitig zum Feind für Kardinal Berlinger, den Leiter des Heiligen Offiziums, der die andere Hausmacht innerhalb des Vatikans anführte. In Berlinger und Felici begegneten sich Erde und Feuer: Berlinger, der Konservative, unnachsichtig gegenüber jeder Neuerung oder Erneuerung, und Felici, ein liberaler, progressiver Kardinal, der schon vor dem letzten Konklave als papabile galt, dem aber, wie er selbst zu sagen pflegte, die Schuhe des Fischers eine Nummer zu groß erschienen.
    Nachdem Vilosevic zwei hintereinanderliegende

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