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Das Fuenfte Evangelium

Das Fuenfte Evangelium

Titel: Das Fuenfte Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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treffen uns in fünf Minuten vor den Verliesen des Innozenz!«
    Berlinger war noch nie, nicht einmal auf dem Priesterseminar in Regensburg, so angebrüllt worden. Er erschrak zu Tode über die unerwartet laute Stimmgewalt Felicis; er wollte noch etwas sagen, aber der Kardinalstaatssekretär kam ihm zuvor und rief: »Und beten Sie zu Gott, daß der Delinquent noch am Leben ist.« Im Gehen, während er Berlinger vor sich herschob, als wäre dieser der Angeklagte, sagte er: »Ich dachte, die Inquisition hat im vorigen Jahrhundert ihre Tätigkeit eingestellt.«
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    D as Gesicht des Mannes, das in dem Mauerloch zum Vorschein kam, zeigte keine Regung. Mit zusammengekniffenen Augen starrte der Fremde in das grelle Licht der Handlampe, mit der Felici die Arbeit des taubstummen Gianni beleuchtete. Er hatte wohl mit dem Leben abgeschlossen, und die unverhoffte Rettungsaktion mußte ihm wie ein Traum erscheinen.
    Vilosevic ging dem Taubstummen zur Hand. Berlinger und die drei Monsignori des Heiligen Offiziums standen abseits. Keiner sagte ein Wort. Als das Loch in der Mauer groß genug war, um hindurchsteigen zu können, trat Kardinal Felici vor und streckte dem Gefangenen die Hand entgegen. Erst jetzt erkannte er, daß der Mann an den Händen gefesselt war. Felici warf Berlinger einen Blick zu, aber der sah zur Seite.
    Langsam schien der Gefangene zu begreifen, daß der Kardinal gekommen war, um ihn zu befreien. Über sein Gesicht huschte ein ungläubiges, beinahe verlegenes Lächeln, und während er sich durch das Mauerloch zwängte, stammelte er: »Ich … ich will alles erklären.«
    »Auf einmal will er alles erklären!« rief Berlinger hämisch aus dem Hintergrund.
    Felici machte eine unwillige Handbewegung und erwiderte: »Sie sollten besser schweigen, Herr Kardinal, denn für Ihr Verhalten gibt es keine Rechtfertigung.«
    »Ich fordere ein Verhör ex officio !« geiferte Berlinger. »Er soll seine Hintermänner nennen, ich will Namen, ich fordere restlose Aufklärung!«
    Der Gefangene wiederholte seine Beteuerung: »Ich will alles erklären!«
    Dann nahm Felici dem Mann die Fesseln ab, und die drei Monsignori führten ihn über Treppen und Korridore, auf denen sie sicher sein konnten, daß ihnen niemand begegnete, zum Heiligen Offizium.
    Das Verhör im zweiten Stock des Gebäudes an der Piazza del Sant'Uffizio geriet zur Inquisition wie jede heimliche Zusammenkunft von mehr als zwei Purpurträgern im Vatikan. Berlinger hatte ein halbes Dutzend Würdenträger, die mit dem fünften Evangelium befaßt waren, unter päpstlicher Geheimhaltung zusammengerufen (wie es stets bei besonders brisanten Fällen geschieht, etwa bei jenem Fall einer levitierenden Nonne aus der unmittelbaren Umgebung seiner Heiligkeit, die in religiöser Verzückung die Röcke raffte und frei über dem Boden zu schweben begann – ein Fall für den Exorzisten, weil, wie die Naturwissenschaften sagen, dies wider die Natur und somit von Dämonen herbeigeführt ist).
    Hinter einem schmalen, langen Tisch saßen aufgereiht die drei Monsignori, Kardinalstaatssekretär Felici, der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofes der Apostolischen Signatur Kardinal Agostini, der Leiter des päpstlichen Geheimarchivs Monsignore della Croce, der Leiter des Heiligen Offiziums Kardinal Berlinger, Monsignore Pasquale, der Privatsekretär seiner Heiligkeit, Professor Manzoni von der Päpstlichen Universität, Vilosevic, der Leiter des Vatikanischen Presseamtes, und ein Prälat als Protokollführer. Auf dem Tisch brannten zwei hohe, dünne Kerzen. Davor hatte der Angeklagte Platz genommen. Wie in allen vatikanischen Amtsräumen roch es aus unerfindlichen Gründen nach Bohnerwachs.
    Nach Anrufung des Heiligen Geistes, die jeder Handlung des Heiligen Offiziums vorausgeht, begann Berlinger mit hoher, schneidender Stimme: »Nennen Sie Ihren Namen!«
    Der Gefragte erschien klein und unscheinbar, er setzte sich gerade aufrecht und antwortete laut, aber mit zitternder Stimme: »Mein Name ist Professor Dr. Werner Guthmann.«
    »Deutscher?«
    »Ja. Ich bin Professor für Koptologie.«
    Murmeln unter den Purpurträgern.
    »Ich habe das alles nicht freiwillig getan!« beteuerte Guthmann.
    Berlinger streckte dem Angeklagten den Zeigefinger entgegen: »Sprechen Sie nur, wenn Sie gefragt sind! – Was haben Sie im päpstlichen Geheimarchiv gesucht?«
    »Ein Beweisstück!«
    »Ein Beweisstück wofür?«
    »Ein Beweisstück dafür, daß der Kirche das Evangelium des Barabbas seit

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