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Das Fuenfte Evangelium

Das Fuenfte Evangelium

Titel: Das Fuenfte Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Falle eines Waffenganges keinen von beiden nehmen. Aus Gründen, deren sie sich selbst nicht mehr erinnern konnte, hatte Adrian dann freiwillig das Feld geräumt und war mit seinem Schmerz und seiner Wut nach Paris gegangen. Bis vor sechs oder sieben Jahren hatte er nie versäumt, ihr zum Geburtstag Blumen zu schicken – vielleicht auch nur deshalb, um Guido zu ärgern –, aber seitdem hatte er nichts mehr von sich hören lassen.
    Nun meldete Kleiber sich auf einmal am Telefon. Seine Stimme klang fremd, jedenfalls hatte sie sie in anderer Erinnerung. Aber schließlich war ihr letztes Gespräch eine Ewigkeit her. Sie redeten über eine Stunde am Telefon, und Anne hatte große Mühe, Kleiber den Tod ihres Mannes und die damit verbundenen mysteriösen Umstände zu erklären. Den Namen Vossius erwähnte sie zunächst nicht, sie sagte nur, sie wolle in Paris Nachforschungen anstellen, ob er ihr dabei behilflich sein könne. Adrian Kleiber zeigte sich begeistert, bot ihr seine Wohnung an und versprach, sie vom Flughafen abzuholen.
    Kleiber verstand etwas von Frauen, darüber konnte niemand, der ihm begegnete – auch Männer nicht –, im Zweifel sein. Er war zwar alles andere als schön, nicht besonders groß und von auffallender gelockter Haarpracht, aber er hatte Verstand, Witz und Geschmack – in dieser Reihenfolge. Daß er in einem Alter, in dem andere mindestens eine Scheidung hinter sich haben, noch immer nicht verheiratet war und in keiner Weise darunter litt, mag diese Tatsache unterstreichen. Tatsächlich verfügte er über jene erhebliche Portion Eigenliebe, die den Menschen glücklich macht, dabei trug er jedoch nie die abstoßende Haltung eines krankhaften Egoisten zur Schau. Probleme schien es für Kleiber nicht zu geben; jedenfalls gehörte ›Kein Problem!‹ zu seinen Lieblingssprüchen, dessen häufiger Gebrauch den, der ihn nicht kannte, nerven konnte. Wer ihn kannte, glaubte ihm.
    Es waren also gut siebzehn Jahre vergangen, seit sie sich zuletzt gesehen hatten, und während des Fluges machte sich Anne Gedanken, wie Adrian wohl aussehen mochte nach so langer Zeit.
    AF 731 landete pünktlich um 11.30 Uhr auf dem Flughafen Le Bourget, und nach Durchquerung verschiedener Hallen und Überwindung mehrerer Treppen trat Anne mit einem kleinen Koffer durch die gläsernen Schiebetüren in die Empfangshalle.
    Adrian winkte mit einem riesigen Rosenstrauß und hob sie, während er Anne umarmte, vom Boden hoch und schleuderte sie zweimal um seine eigene Achse – ganz der alte. Anne wischte sich ein paar Tränen aus den Augen; dabei hatte sie sich fest vorgenommen, keine Rührung zu zeigen.
    Beide musterten sich mit einer gewissen Verlegenheit, und Adrian begann sofort mit seinem Aussehen zu kokettieren, das auf Frauen nicht sehr anziehend wirkte, weshalb er die Frau fürs Leben noch immer nicht gefunden habe.
    »Was willst du denn hören?« lachte Anne spitzbübisch. »Daß du der schönste, klügste und begehrenswerteste Junggeselle von Paris bist? Also gut, du bist der schönste, klügste und begehrenswerteste Junggeselle von Paris. Ist dir jetzt wohler?«
    »Viel wohler!« rief Kleiber. »Vor allem, weil du es gesagt hast.«
    Mit Adrian war es einfach unmöglich, ernst zu bleiben, dachte Anne, während sie lachten und scherzten; sie fühlte sich befreit, aber sie ertappte sich zugleich dabei, daß sie sich Gedanken machte, ob dieser nette Kerl überhaupt in der Lage sein würde, ihr zu helfen.
    »Eine üble Geschichte«, bemerkte Kleiber auf einmal, während sie in seinem Wagen, einem schwarzen Ponton-Mercedes, Richtung Innenstadt fuhren. Als hätte er ihre Gedanken erraten, wirkte Adrian plötzlich sehr ernst. »Wart ihr glücklich?«
    Anne verstand die Frage nicht sofort: »Du meinst, ob Guido und ich …?« Sie hob die Schultern. In Gedanken war Anne mit den Dingen beschäftigt, die sich nach dem Tod ihres Mannes zugetragen hatten. Dabei kam ihr zum wiederholten Male zu Bewußtsein, daß sie Guidos Tod weitgehend verdrängt hatte.
    »Ich bin nicht gekommen«, begann sie schließlich, »um mich bei dir auszuweinen. Ich brauche deine Hilfe, um herauszubekommen, in was für eine Situation ich da geraten bin, verstehst du? Ich werde verrückt, wenn das so weitergeht.«
    Kleiber legte seine rechte Hand auf ihren linken Unterarm: »Beruhige dich, Anne, du kannst dich auf mich verlassen.«
    Mit Genugtuung registrierte Anne die zärtliche Berührung, und dabei platzte es aus ihr heraus: »Ich habe Angst,

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