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Das Fuenfte Evangelium

Das Fuenfte Evangelium

Titel: Das Fuenfte Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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sprächen, das sei die beste Schule.
    »Wieviel?« fragte Kleiber knapp. Er sah in der Tatsache, daß er den vermutlich blöden Pfleger nicht durchschaut hatte, eine persönliche Niederlage, und daß er diese Niederlage mit Geld aus der Welt schaffen konnte, förderte seine Bereitschaft, einen hohen Preis zu zahlen.
    Die beiden Männer einigten sich auf fünftausend Francs, zweitausend sofort, der Rest bei Überreichung eines Umschlages.
    Kleiber war von der Sicherheit, mit der der Pfleger agierte, verblüfft. Er hatte beinahe den Eindruck, als machte dieser so etwas nicht zum ersten Mal.
    »Woher nehmen Sie die Sicherheit, daß Sie den Rest noch bekommen?« fragte Adrian Kleiber provozierend.
    Der Pfleger schmunzelte: »In gewisser Weise habe ich Sie doch in der Hand. Wenn ich auspacke, daß Sie sich unter dem Vorwand, mit Vossius verwandt zu sein, Zugang in die Psychiatrie verschafft haben, dann wird das nach seinem unerwarteten Ableben sicher die Polizei interessieren. Also versuchen wir nicht, uns gegenseitig übers Ohr zu hauen – so sagt man doch bei Ihnen? –, und kommen wir zum Geschäft.«
    Mit sichtlicher Zufriedenheit nahm er die zweitausend Francs in Empfang, faltete die Scheine zweimal und ließ sie in der Tasche seines Sakkos verschwinden. Dann beugte er sich über den dunkel gebeizten Tisch und sagte: »Vossius ist keines natürlichen Todes gestorben. Er ist stranguliert worden, mit einem Lederriemen.«
    Woher er das wisse.
    »Ich habe den Professor morgens um halb sechs gefunden. Er hatte einen blauroten Ring am Hals. Vor seinem Bett lag ein Lederriemen.«
    Während Anne die Mitteilung nicht überraschte, hatte Kleiber Schwierigkeiten, sich mit der neuen Situation zurechtzufinden. Vor allem, wandte er ein, welchen Grund könnte die Klinik haben, den Fall zu verschweigen und Herzversagen als Todesursache zu melden.
    »Da fragen Sie noch?« erregte sich der Pfleger – er sprach jetzt wieder französisch. »In St. Vincent de Paul hat es schon genug Skandale gegeben, aber ein Mörder, dem es gelingt, bei Nacht in die Psychiatrische Abteilung einzudringen, das ist vorläufig der Höhepunkt einer Reihe von Vorkommnissen, die das Institut nicht im besten Licht erscheinen lassen. Natürlich gab es eine hausinterne Untersuchung, die auch noch nicht abgeschlossen ist, aber Le Vaux steht vor einem Rätsel.«
    Und seine persönliche Meinung?
    Der Pfleger fuhr sich nervös mit gespreizten Fingern durch das dunkle Haar. »Vossius soll am gestrigen Abend einen merkwürdigen Besucher gehabt haben. Ich kann das nicht bezeugen, ich hatte abends keinen Dienst. Es soll ein Priester gewesen sein, ein Jesuit. Angeblich haben sie sich englisch unterhalten.«
    Anne und Adrian sahen sich an. Beider Ratlosigkeit hatte in diesem Augenblick einen neuen Höhepunkt erreicht. Ein Jesuit bei Vossius?
    »Jedenfalls war dieser Abbé der letzte, mit dem der Professor geredet hat. Natürlich fällt auf ihn ein Verdacht. Wer sagt, daß er wirklich ein Jesuit war? Tatsache ist, der seltsame Priester hat nach einer knappen halben Stunde die Psychiatrie von St. Vincent de Paul wieder verlassen. Das hat der Pförtner bestätigt.«
    Die folgende Diskussion hatte zum Thema, wie leicht oder schwierig es ist, unbemerkt die Psychiatriestation von St. Vincent de Paul zu betreten. Dabei vertrat der Pfleger die Ansicht, daß der Eindringling einen Komplizen in der geschlossenen Abteilung gehabt haben müsse; nur so sei überhaupt auf die Station zu gelangen.
    »Und Sie?« fragte Adrian nachdenklich. »Ich meine, wäre es abwegig zu glauben, daß Sie …«
    »Hören Sie«, fuhr der Pfleger barsch dazwischen, »Sie mögen mich für einen Fiesling halten, weil ich Ihnen Informationen verkaufe, das ist mir, ehrlich gesagt, egal. Aber das andere ist Beihilfe zum Mord, das sollten Sie ganz schnell vergessen.« Hastig kippte der Pfleger seinen Pastis hinunter, knallte das Geld auf den Tisch, warf einen Schein daneben und verschwand grußlos.
    »Du hättest ihn nicht attackieren dürfen«, bemerkte Anne tonlos. Sie starrte vor sich hin auf einen imaginären Punkt in dem mit Rauchschwaden verhangenen Raum. Adrian sah, daß ihre Hände zitterten.
9
    S ie mußten Zweifel haben, ob der Mann, wie vereinbart, am folgenden Tag wieder erscheinen würde, um weitere Informationen gegen den Rest der versprochenen Summe auszutauschen. Die halbe Nacht verging allein in der Diskussion darüber, was sie von dem Pfleger noch zu erwarten hätten, und dabei

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