Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)
notwendig gewesen.
Ohne Vorwarnung kracht die Hand auf meinen Kopf, mein Gesicht schlägt auf das Matheheft. »Du warst seit zwei Wochen nicht beim Religionsunterricht, Liana?« An den Haaren reißt er mich hoch. Eine Sekunde bin ich sicher, skalpiert zu werden. Ich habe ihn nicht kommen hören, nicht bemerkt, dass er hinter mir steht. Er lässt mich los und schüttelt die blonden Haarbüschel von seinen Fingern.
Ich verdrängte die Erinnerung. Längst hatte ich die Gespenster meiner Vergangenheit aus meinem neuen Leben in Bochum verbannt. Doch offenbar ließ sich mein Misstrauen nicht so schnell loswerden wie mein Vater selbst. Ich musste lockerer werden.
Ich registrierte, dass Danner sich ebenfalls aufgerichtet hatte. Hatten mir meine Nerven doch keinen Streich gespielt?
Jetzt hörte ich es auch. Tumult in Fietes Garten.
Wütendes Gebrüll, das wie »Bleib stehen, du Miststück!« klang. Und das während der Mittagsruhe.
»Du kommst hier sowieso nicht raus!«
Definitiv war Fiete nicht allein. Ich trat neben Danner an den Zaun. Kopelski im Nachbargarten betrachtete weiter das in den Teich plätschernde Wasser.
»Klingt für mich nicht nach einem Vorspiel«, erklärte ich.
»Geschmackssache«, fand Danner.
Wobei wir wieder bei dem Roman auf Bine Kopelskis Couchtisch angekommen waren. Blümchensex war out. Selbst unter Gartenzwergen. Hatte die Vermisste sich tatsächlich mit dem Vorbestraften eingelassen? Für den besonderen Kick?
Danner und ich streiften die Arbeitshandschuhe ab und näherten uns Fietes Garten.
»Hah!« Ein Triumphschrei.
Lautes Hühnergackern.
Ich stellte mir Fiete vor, wie er sich mit einem Hechtsprung auf die flüchtende Frau stürzte, während die Hühner kreischend zu allen Seiten davonstoben.
»Jetzt bist du dran!«, drohte Fiete.
»Glaubst du noch immer, dass er mit seiner Mutter spricht?«, erkundigte ich mich bei Danner. »Oder lösen wir den Fall endlich?«
Danner blickte sich nach Alwin Kopelski um, der sich nach wie vor nur rührte, um die Bierflasche zu heben.
»Wenn seine Freundin zufällig auch Sabine heißt, ist unsere Tarnung hin.«
»Nicht unbedingt.«
Zehn Minuten später standen Matthias Hesskamp und ein uniformierter Kollege von der nahen Gerther Tageswache vor Fietes Parzelle. Hesskamp klopfte mit der Faust an die Holztür.
Auf den Moment hatte ich gewartet. Ich schob eine mit Unkraut gefüllte Schubkarre durch unser Gartentor auf den Kiesweg hinaus. Danner folgte mir mit einer Schaufel auf der Schulter.
»Fiete?«, rief Hesskamp in die Buchsbaumhecke. »Mach auf.«
Ach ja. Fiete und Hesskamp kannten sich ja von früher, erinnerte ich mich. Als Kinder hatten sie zu verfeindeten Banden gehört und sich bekämpft. Und irgendwie hatte sich daran bis heute nicht viel geändert.
»Zisch ab!«, schnauzte Fiete im Garten. »Bin beschäftigt!«
»Ich bin dienstlich hier«, erklärte Hesskamp. »Es liegt eine Beschwerde vor.«
»Was?«, fauchte Fiete empört. »Wieso das denn?«
»Störung der Mittagsruhe. Mach endlich auf.«
»Das kann ja wohl nicht wahr sein! Das war bestimmt wieder der Bengel, dieser kleinkarierte Gärtner. Na, der kann was erleben!« Die wütende Stimme näherte sich dem Gartentor. »Ich dachte, der hätte kapiert, dass er mir mit seinen Vorschriften nicht kommen braucht! Dem polier ich die Fresse!«
»In deiner momentanen Situation würde ich mir Drohungen lieber verkneifen«, erinnerte Hesskamp.
Fiete riss die Tür auf.
Erschrocken atmete ich ein. Die Griffe der Schubkarre ließ ich los, mit einem dumpfen Laut setzte sie auf dem Boden auf.
Der kräftige, kleine Exhäftling stand vor dem Polizisten wie ein tollwütiger Rehpinscher vor einer phobischen Dogge. Sein muskelbepackter, dicht tätowierter Oberkörper war nackt, die Muskeln gespannt, die Fäuste geballt. Fietes Hände und Unterarme waren voller Blut. Es tropfte von seinen Fingern. Als hätte er die Hände hineingetaucht.
»Scheiße, Fiete!« Beim Anblick des Blutes geriet auch Matthias Hesskamp ins Stammeln. »Mann, was hast du gemacht?«
Fiete starrte böse an mir vorbei. Als ich mich umdrehte, stand Alwin Kopelski hinter uns.
Fiete fletschte das Gebiss zu einem spöttischen Grinsen: »Wenn du Sabine den Arsch retten willst, kommst du zu spät, Matze.«
Klick.
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