Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)
der Treppe vor unserer Wohnungstür auf uns wartete. Unsere Blicke trafen sich. Und noch bevor sie den Mund aufmachte, noch bevor sie das erste Wort sagte, hatte ich das unbestimmte Gefühl, etwas Entscheidendes über sie zu wissen.
Sie war sehr schön. Unter dem nachtschwarzen Pony blinzelten mich mandelförmige, braune Augen an, die mich auf einen aus Asien importierten Erbgutanteil tippen ließen. Sie war auffallend groß und mager. Größe null, schätzte ich. Die meisten Frauen beneideten sie wahrscheinlich darum.
Ich nicht. Ich registrierte, dass sie ihre Ärmel über die Hände zog.
»Guten Tag?!«, sagte Danner. »Können wir etwas für Sie tun?«
Der untere Saum ihres Pullovers war ausgefranst. Er verhüllte ihre Figur bis an die Oberschenkel, deren Durchmesser sich sicher nicht wesentlich von dem ihrer Waden unterschied.
Verdammte Scheiße, fluchte ich innerlich. Der tote Spanner hatte recht gehabt. Jeder konnte sehen, dass ich ein Opfer war! Jedenfalls jeder, der selbst mal eines gewesen war. Wie blöd war ich eigentlich? Das musste sich ändern, ich brauchte dringend eine neue Garderobe.
»Ich suche die Schnüffler«, erklärte die Dünne. »Danner und Ziegler.«
»Wir bevorzugen die Bezeichnung ›Private Ermittler‹«, brummte Danner. Er trat dicht neben sie, um die Wohnungstür zu öffnen. Sie überragte ihn um fast einen Kopf.
»Dann möchte ich Sie engagieren.«
Danner stieß die Tür zu unserem unaufgeräumten Wohnbüro auf: »Das hören wir gern. Kommen Sie herein, Frau …?«
»Ullmann. Kimberly Ullmann.«
Erstaunt sah ich zu ihr hoch.
Zwei Minuten später saß Kimberly Ullmann neben dem Haufen dunkler Wäsche auf unserer Couch.
Sie besaß eine beneidenswert ebenmäßige, dunkle Haut, hohe Wangen und einen kleinen Mund. Zusammen mit ihrer unnatürlich schlanken Figur erinnerte sie an die Figuren aus asiatischen Trickfilmen. Ihre knochigen Knie ragten über die Marmorkante des flachen Tisches, von dem Danner schnell noch ein paar Bierflaschen und einen BH wegräumte.
Sie war Franz-Adolf Ullmanns …?
Tja, was? Tochter wäre durchaus möglich, sie war noch keine dreißig. Aber ich wollte nicht den gleichen Vorurteilen aufsitzen wie die Lamafrau. Gerade ich nicht. Das wäre ja absurd.
»Wie können wir Ihnen helfen, Frau Ullmann?«, versuchte Danner, der Sache auf den Grund zu gehen.
»Mein Mann ist festgenommen worden.«
Tatsächlich. Schrauber-Ulli mit dem gelben Haar, den Kautabakresten zwischen den Zähnen und dem schiefen Grinsen stand nicht nur in der Garage auf Luxusmodelle.
»Man hat Schmuck bei ihm gefunden und wirft ihm vor, das Zeug gestohlen zu haben. Ein Schrebergärtner will Sachen seiner Frau erkannt haben. Ulli sagt, er hätte ihr den Schmuck abgekauft. Aber die Frau ist nicht aufzufinden. Sie kann Ullis Geschichte nicht bestätigen.«
»Und wie können wir Ihnen helfen?«, wiederholte ich.
Kimberly Ullmanns Mandelaugen musterten mich. »Fiete sagt, Sie beide haben Ulli da reingeritten und sollen ihn gefälligst wieder rausholen.«
Oh. Fiete hatte gepetzt.
Danner verschränkte die Arme vor der Brust: »Sonst passiert was?«
Kimberly Ullmann senkte den Blick rasch wieder.
»Er verrät allen, dass Sie Schnüffler sind?!«, sagte sie zu ihren Händen.
Danner zog spöttisch eine Braue hoch. »Davon können wir ihn nicht abhalten. Ob die Umstände von Bine Kopelskis Verschwinden dann allerdings jemals aufgeklärt werden, ist fraglich.«
Kimberly Ullmann biss sich auf die Unterlippe: »Dann besucht Fiete Sie persönlich?«
Ich begriff, dass die Worte als Erpressung gemeint sein sollten. Doch Kimberly Ullmann fehlte offensichtlich jede Übung im Einschüchtern von Menschen.
»Ich glaube nicht, dass Fiete in nächster Zeit die Gelegenheit bekommt, alte Freunde zu besuchen«, erklärte ihr Danner. »Er kann aber gern Bodo auf ein Bier vorbeischicken.«
»Aber Sie müssen mir helfen!«, fuhr Kimberly Ullmann Danner eher hilflos als wütend an. »Ich hab Ihr Gespräch auf der Treppe gehört! Sie glauben doch auch nicht, dass Ulli etwas damit zu tun hat. Sie müssen rausfinden, wo die verschwundene Frau steckt.«
»Soll ich Ihnen ein Geheimnis verraten?« Danner senkte ironisch die Stimme. »Wenn Sie uns bezahlen, arbeiten wir freiwillig für Sie.«
»Wichser«, zischte Kimberly zurück.
41.
Eine halbe Stunde später hatten wir eine weitere Auftraggeberin.
Obwohl wir wieder dort angekommen waren, wo wir begonnen hatten, hatte ich das Gefühl, die Lösung
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