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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
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in die Augen fiel. Madrone war entsetzt, sie hatte nichts gesehen oder gehört.
    »Wer ist unsere Mutter?« fragte der Boy drohend.
    »Unsere Mutter ist die Erde«, gab Littlejohn zurück, »wie geht's und steht's, Begood?«
    »Oldjohn starb heute nacht«, sagte der Boy, »wir haben seinen Körper nach oben auf die Felsen gebracht. Wer ist denn das da?« Er machte mit dem Gewehrlauf eine Bewegung Richtung Madrone.
    »Die Heilerin.«
    Abrupt ließ Begood das Gewehr sinken und starrte Madrone an. Sein Gesichtsausdruck schwankte zwischen Skepsis und freudiger Hoffnung, ein Ausdruck, der Madrone mit Unbehagen erfüllte.
    »Trinkt tief am Tage des Sieges!« sagte er.
    Madrone hörte seine Worte mit Erstaunen, doch dann erkannte sie, daß dies eine formelle Grußformel war, ähnlich dem »Mögest du niemals durstig sein« aus ihrer Kindheit.
    »Que nunca tengas hambre. Que nunca tengas sed«, antwortete sie.
    Littlejohn wurde blaß. Begood blickte blitzschnell um sich, als fürchte er, irgend jemand, außer ihnen, könnte diese Worte auch gehört haben.
    »Spanisch, nicht wahr?« fragte Littlejohn, »ich habe es seit meiner Kindheit nicht mehr gehört. Ausgenommen von Bird, wenn er wütend war.«
    »Paß auf«, warnte Begood, »wenn das irgend jemand in Angel City hört, bist du schneller im Gefängnis als du denken kannst. Und du hast keine Chance, irgend jemanden zu benachrichtigen. Sie haben es hier nicht so mit den teuflischen, fremden Sprachen, die Stewards.«
    Er führte sie durch dichtes Unterholz zwischen großen Felsbrocken. Dahinter weitete sich das Gelände zu einer kleinen Lichtung. Zehn, zwanzig Leute saßen oder lagen hier im Schatten der Felsen. Zwei Personen lösten sich aus der Menge und kamen ihnen entgegen.
    »Das ist die Heilerin«, rief ihnen Begood zu.
    Ein Mann mit wildem, grauen Bart und strengen blauen Augen stellte sich selbst als Baptist vor. Die zweite Person war schlank und hochgewachsen, wirkte geschlechtslos in einem Paar verwaschener Jeans und einem grauen Baumwolltrikot. Ihr Name, so sagte sie, sei Arachne, aber alle würden sie nur Rocky nennen.
    »Trinkt tief«, grüßten auch die anderen. Aber niemand bot Madrone auch nur einen Schluck Wasser an, und sie wagte nicht, danach zu fragen, obwohl ihre Kehle unsagbar ausgedörrt war. Jede Zelle ihres Körpers schrie nach Wasser. Niemand, außer ihr, schien solche Beschwerden zu haben. Alle diese Leute wirkten wie von einem leichten Staubschleier bedeckt, mit lederner Haut, ähnlich den Blättern der Bäume hier.
    Sie schluckte wieder und empfand ihren Durst daraufhin nur noch schlimmer. Gleichzeitig war sie bestürzt. Waren dies die Leute vom Web, vom Netzwerk, das Herz des Widerstandes gegen die Stewards? Diese zerlumpten, mageren Figuren? Waren dies die Leute, für die sie so weit gewandert war, um ihnen zu helfen?
    »Hast du Erfahrung mit Grippe?« fragte Rocky.
    Madrone nickte nur schwach.
    »Dann komm doch bitte mal zu Hijohn, er liegt im Sterben.«
    Rocky zog sie über ausgestreckt am Boden liegende Menschen. Hijohn lag nackt unter einer schmutzigen Decke. Ein widerlicher Geruch von Schweiß, Kot und Urin schlug Madrone entgegen. Rocky kniete auf der anderen Seite nieder und sagte mit leicht entschuldigendem Ton: »Wir haben versucht, ihn zu waschen. Aber es gibt nicht genug Wasser hier.«
    Der Mann war ausgemergelt und bewußtlos. Sein faltiges Gesicht auf dem dünnen Hals erinnerte an einen ausgetrockneten Apfel auf einem Stock. Hijohn. War dies Birds Freund?
    Sie kniete nieder und prüfte mit kundiger Hand den abgemagerten Körper. Spuren von früheren Verletzungen, von Knochenbrüchen, Quetschungen und offenbar Schlägen verrieten ihr, was dieser geschundene Körper schon alles erlitten haben mußte. Für einen Moment war ihr, als höre sie jenen gequält langgezogenen Ton, der in Birds Liedern so oft auftauchte. Sie schickte ihre Energieströme durch Hijohn und beobachtete scharf seine Reaktionen, um herauszufinden, warum er so schwer atmete und warum sein Puls so schwach ging. Dann erkannte sie, daß Hijohn unter einer Infektion litt, eine schwere zwar, aber die Krisis schien vorüber zu sein.
    »Hat er schon eine Booster-Entziehungskur gemacht?« fragte sie.
    Rocky verneinte: »Er hat nie welche bekommen.«
    Madrone atmete erleichtert auf, wenigstens in dieser Hinsicht keine Probleme. Doch dann beschlich sie Furcht, als sie das ganze Ausmaß der Komplikationen erkannte. Krankheiten konnte sie heilen. Aber woran es hier fehlte,

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