Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
Vom Netzwerk:
Hühnerhals - um die Brandopfer zu symbolisieren, die dem Tempel von Jerusalem dargebracht wurden.«
    »Perfekt orthodox«, flüsterte Maya ihren Geistern zu.
    Aviva fuhr fort. »Und hier ist das Charoset, diese Mischung aus Äpfeln und Nüssen und Wein und Gewürzen, die, wie uns immer erzählt wurde, symbolisch stand für den Mörser, in den die Hebräer die Gaben für ihren Herrn legten. Wir wissen, daß dies die heiligen Früchte der alten Göttin sind: Äpfel des Lebens, Wein des Rausches.
    Die Erinnerung daran ist nie verschwunden, und durch die Jahrhunderte hindurch haben Früchte uns die Härte des Lebens versüßt, sogar dann, wenn sie die bitteren Kräuter des Lebens versüßen mußten. Laßt es euch heute abend schmecken, als Zeichen, daß keine wahre Macht jemals verloren sein kann, und als Gelübde, daß, welche Bitterkeit auch immer vor uns liegen mag, wir ebenfalls das Süße finden werden.«
    Maya konnte fühlen, wie ihren fernen Ahnen sich die Haare sträubten, als die Göttin erwähnt wurde. Alles verändert sich mit der Zeit oder es stirbt, sagte sie ihnen still. Seid glücklich, daß dieses Ritual noch so lebendig ist.
    Ari, ein schwarz-bärtiger Mann, der neben Aviva saß, stand auf. »Ich widme das erste Glas Wein unseren Ahnen«, sagte er. »Ich ehre die Ahnen, die unter den Pharaonen Sklaven waren.«
    Einer nach dem anderen, rund um den Tisch herum, sprachen sie.
    »Ich ehre meine Ahnen, die aus Afrika geraubt wurden, um auf diesem Kontinent versklavt zu werden.«
    »Ich ehre meine Ahnen, die in den Konzentrationslager der Nazis starben.«
    »Ich ehre meine Ahnen, die in den palästinensischen Umsiedlungslagern starben.«
    »Ich ehre meine Ahnen, die durch die Hände der Stewards starben, in unserem Kampf für Frieden.«
    »Ich ehre jene, die bei zukünftigen Schwierigkeiten sterben werden.«
    Stille trat am Tisch ein. Sie wurde erst durch die süße Sopranstimme einer jungen Frau unterbrochen, die einen Segen auf Hebräisch sang. Sie tranken das erste Glas Wein.
    Und dann das zweite und das dritte. Als der Wein schließlich seine Schuldigkeit getan hatte, begannen die Streitgespräche. Auch dies ist sehr traditionell, dachte Maya. Sie erinnerte sich an die endlosen Diskussionen, die sie als Kind mit angehört hatte. Ihr Onkel hatte sich mit ihrem Vater gestritten. Es ging um kleine Details des Rituals. Mußte man es so machen oder so?
    Maya erinnerte sich genau, wie ihre Großmutter, die sich in gewissen Abständen plötzlich aufrichtete, um kategorisch zu sagen: »Oh Jake, beeil' dich mit dem Streit. Die Leute müssen essen.«
    Während Aviva und Holybear sich in liebenswürdiger Weise stritten, saß Bird schweigend da. Maya lehnte sich vor und berührte seine Hand. Er streichelte abwesend ihre Hand und lächelte wieder einmal dieses falsche Lächeln, das sie nicht ausstehen konnte.
    Sam las aus dem Haggadah, dem Buch der Gebete und Lieder und Geschichten: »Und die Quelle allen Seins brachte uns nach Ägypten, mit starkem Arm und ausgestreckter Hand.« Er pausierte und sah alle über die dicken Gläser seiner Lesebrille an. »Was bedeutet das alles für uns? Persönlich, nach den Millennialisten, hüte ich mich vor jeder Form göttlicher Intervention. Ich komme aus der guten alten jüdischen Familie voller Tradition. Uns wurde beigebracht, die Kraft unserer eigenen Arme und Hände zu benutzen. Wenn ein Gott oder eine Göttin Erlösung anbietet, dann sollten es besser unsere eigenen sein.«
    »Ich sehe es als eine Art Hoffnung an«, sagte Aviva. »Hoffnung ist die Quelle der Kraft. Wir können uns auf unsere eigenen Arme und Hände verlassen, aber ohne Hoffnung können wir nichts tun.«
    »Aber es gibt nicht nur die individuelle Hoffnung«, sagte eine Frau mit schöner Stimme, die Maya nicht kannte. »Es ist der starke Arm, auf den wir uns verlassen können, wenn alle unsere Arme ineinandergreifen und wirklich zusammenarbeiten.«
    »Gott ist unsere Unterstützung«, sagte Ari.
    »Aber was ist, wenn man ganz allein ist?« fragte die Frau mit der schönen Stimme.
    »Dann hast du noch immer die Kraft der Gruppe, um davon zu zehren.«
    »Und was, wenn dem nicht so ist? Was, wenn du dich der Gruppe entgegenstellst?« fragte Holybear, »bist du dann aus dem Wirkungskreis der Göttin entfernt?«
    In der Pause, die nun folgte, begann Bird zu sprechen. Er schaute hinunter auf sein Weinglas, und seine Stimme schien von ferne zu kommen, als müßte er von weit her zurückkehren, um sie alle zu

Weitere Kostenlose Bücher