Das Fünfte Geheimnis
die Manager der Corporation, die die Vorratslager für Lebensmittel und Medikamente verwalten sollten. Sie waren unfähig und korrupt.«
»Die Stewards nutzten die Gunst der Stunde«, sagte Katy, »sie riefen das Kriegsrecht aus. Die Manager der Corporation, der Lebensmittel-Lager, arbeiteten sofort mit ihnen zusammen. Wer die Stewards unterstützte, bekam Lebenmittel, die anderen nicht. Viele wurden verhaftet, gefoltert, viele starben, andere verhungerten.«
»Die Leute haben sich einfach ergeben?«, wunderte sich Madrone, »hat keiner gekämpft?«
»Viele, sehr viele haben gekämpft«, sagte Hijohn, »und viele kämpfen immer noch!«
»Es gab immer wieder Krawalle, um das Wasser, um Nahrungsmittel. Bewaffnete Banden griffen die Lagerhäuser an«, erzählte Katy, »doch das machte vieles noch schlimmer. Aus dem Central-Valley strömten Flüchtlinge hierher. Es gab nächtliche Schießereien. Ganze Stadtteile brannten nieder und wurden vom Mob geplündert. Viele der einfachen Menschen hatten Angst, und die Stewards schienen ihnen Sicherheit zu bieten. Sie waren schwer bewaffnet, gut organisiert, schlagkräftig.«
»Aber wir wollten unsere eigene Ordnung in unserem eigenen Land haben«, sagte Hijohn, »wir waren nicht so gut organisiert wie die Stewards, das will ich gern zugeben. Aber wir waren bald eine Macht zwischen den unzähigen kleinen Widerstandsgruppen, sogar Flüchtlinge schlossen sich uns an.«
»Bis zu den Epidemien«, nahm Katy wieder das Wort, »die Flüchtlinge brachten diese Krankheiten mit, behaupten jedenfalls viele.«
»Nicht alle glauben das«, wandte Hijohn ein und erklärte Madrone: »Viele von uns denken, daß die Corporation irgend etwas in die Lebensmittel gemischt hat, um die Bevölkerung krank zu machen und in die Knie zu zwingen.«
»Die Millennialisten behaupten natürlich, die Epidemien wären die Strafe Gottes für unsere Lügen und unseren unsittlichen Lebenswandel«, sagte Katy. »Und es gibt sehr viele, die ihnen das glauben. Mehr als solche, die zu uns halten.«
»Die Leute haben sich massenhaft von den Millennialisten bekehren lassen. Mit ein Grund war sicher, daß die Corporation nur den
Bekehrten Heilmittel gab. Damit konnte die Epidemie schnell eingedämmt werden. Verdächtig schnell sogar.« »Aber diesen Impfstoff und die Immuno-Booster gab es nur für die Bekehrten. Die anderen durften weiterhin sterben«, betonte Katy.
»Die Millennialisten haben gewiß mit den Stewards einen Handel abgeschlossen«, knurrte Hijohn, »sie gaben den neuen Herren einen religiösen Hintergrund. Und im Gegenzug, nachdem sich die Dinge beruhigt hatten, erließen die Stewards Gesetze um die vier Reinheiten hochzuhalten.«
»Das waren zuerst Gesetze der moralischen Reinheit, gegen Unzucht in jeder Form, Vergewaltigung, Inzest, Kinderschändung. Die Leute stimmten dem zu, es schien ja ganz vernünftig zu sein. Bis wir herausfanden, daß, wenn du diese Gesetze verletzt, du auch deine offizielle unsterbliche Seele verlierst. Dann bist du freigegeben, jeder darf dich vergewaltigen, Frauen werden zur Prostitution gezwungen, und mit Kindern darf erst recht jeder machen, wozu er gerade Lust hat.«
»Und die Corporation macht Riesenprofite dabei«, sagte Hijohn böse.
»Dann kamen die Gesetze zur Reinheit der Familie. Danach durften Frauen in vielen Berufen gar nicht mehr arbeiten. Die neuen Kirchengesetze zwangen Bekehrte dazu, feierlich dem Satan abzuschwören. Was satanisch eigentlich sei, das bestimmten die Millennialisten. Satanisch waren natürlich alle anderen Religionen, besonders andere christliche Religionen. Wer dann noch von Gottes Liebe, Gnade und Barmherzigkeit sprach, konnte nur ein Agent des Teufels sein. Mein Onkel war Anhänger der Methodisten. Er wurde aufgehängt. Aber dann kamen die Gesetze zur Reinhaltung der Rasse. Alle mußten sich registrieren lassen und wurden in eine Rasse eingestuft. Das war, als mein Vater seine Gemeinde verlor.
Meine Mutter war Mexikanerin, Katholikin, aber sie war zum Glauben meines Vaters übergetreten. Sie starb während der Epidemie. Mein Vater weigerte sich, als Weißer registriert zu werden, während ich als Latino gelten sollte. Er hielt eine Predigt vor seiner Gemeinde und forderte sie auf, sich nicht registrieren zu lassen. In dieser Nacht brannten die Millennialisten seine Kirche nieder.«
Poppy bewegte sich nervös in Madrones Armen und ließ sich schließlich auf den Boden gleiten. Sie kroch unter den Tisch und klammerte sich an Katys
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