Das Fünfte Geheimnis
Straße gut überblicken. Und plötzlich waren sie zu sehen – eine lange Reihe marschierender Männer in Uniform. In perfekter Formation und in perfektem Gleichschritt, eine tausendfüßige Maschine schien sich da heranzuwälzen, sehr geordnet, sehr diszipliniert: die Steward-Armee!
Bird überkam eine unerklärliche Ruhe. Als hätte sich seine Angst unter dem Druck seiner Furcht zu einem Diamanten kristallisiert. Sein Geist war ganz klar. Das Warten war vorüber. Sie waren hier. Sie waren wirklich hier.
Die Vorhut der Maschierenden erreichte die Kurve dicht beim Springbrunnen. Neben der großen Masse der Soldaten schritt ein Einzelner. Seine Augen waren hinter einer großen, verspiegelten Sonnenbrille verborgen. In den Händen hielt er ein Lasergewehr. Die Truppe, bemerkte Bird plötzlich, war nach Hautfarbe sortiert. Wie eine Schachtel Buntstifte, schoß es ihm durch den Kopf. Die Schwarzen und milchkaffeefarbenen Mischlinge in einem Haufen, die gelblichen Mestizen in einem eigenen Zug, die Gelben und deren Mischlinge für sich.
Der Mann mit der Sonnenbrille blieb vor ihnen stehen. »Ich bin Commander Pershing Nelson, Befehlshaber der Vierten Steward Armee«, sagte er nicht unhöflich, aber mit befehlsgewohnter Stimme. »Wer ist hier der Anführer?«
Jetzt ist es soweit, dachte Bird. Alle vier machten zwei Schritte vorwärts.
»Wir sind hier, um dieses Land im Namen der Vereinigten Stewardships, denen es gestohlen worden ist, wieder in Besitz zu nehmen«, sagte der Commander. »Wenn ihr euch fügt, werden wir nachsichtig sein. Wenn nicht, habt ihr euch die Folgen selbst zuzuschreiben.«
Er wartete. Alle schwiegen. Der Commander blickte von einem zum anderen. Zum Schluß fixierte er Roberto, der offensichtlich der Älteste war.
»Sie! Ich warte auf eine Antwort. Wir bieten euch eine Chance, ohne Blutvergießen aufzugeben. Ihr seid uns weit unterlegen und unbewaffnet. Alles, was wir wollen, ist etwas Unterstützung, damit wir Ordnung in diese Stadt bringen können. Antworte!«
Robertos Gesicht war ruhig und gefaßt. Er blickte auf den Commander und sagte mild: »Wir haben für euch einen Platz an unserer Tafel gedeckt, kommt, eßt mit uns gemeinsam.«
»Wie bitte?«
»Wir haben für euch einen Platz an unserer Tafel gedeckt, kommt, eßt mit uns gemeinsam.«
»Was soll das heißen?«
Marie machte einen Schritt vorwärts. »Ich bin Schwester Marie Seraphim vom Orden Unserer Lieben Frau und eines der frei gewählten Mitglieder des Stadtrates dieser City. Was wir meinen ist, daß wir niemals mit jemandem zusammenarbeiten oder jemanden dulden werden, der Gewalt ausübt.«
»Tun Sie, was ich Ihnen sage!«
»Wir schlagen eine Alternative vor«, Marie erhob ihre Stimme. Sie sprach jetzt so laut, daß die Masse der Soldaten sie hören konnte. »Eure Armee besteht fast nur aus Armen, entrechteten und enteigneten Menschen. Wir hier sind nur ein kleines Volk, dezimiert durch Schicksal und Krankheiten. Einst bot diese Gegend Hunderttausenden Brot und Heimat. Jetzt sind wir nur noch wenige. Deshalb finden wir sicher ein Stück Land für jene unter euch, die mit uns hier leben möchten, die mit uns die vier Heiligen Dinge respektieren möchten: Erde, Feuer, Wasser und Luft. Wir sind keinen reiche Gesellschaft, aber alles, was wir besitzen, haben wir gemeinsam erreicht. Wer mit uns zusammen etwas erreichen will, für den finden wir einen Platz.«
»Gemeinsam mit euch etwas zu machen, steht hier nicht zur Debatte«, schrie Commander Nelson. »Wir sind hier, um die Vorherrschaft der Stewards wieder einzusetzen.«
»Wir bestreiten euch das Recht dazu«, sagte Marie.
»Ihr habt keine andere Wahl.«
»Wir wollen gar nicht wählen. Wir haben für euch einen Platz an unserer Tafel gedeckt, kommt, eßt mit uns gemeinsam.«
Maries Stimme trug weit über die gespannt lauschenden Steward-Truppen. Sie sah dem am nächsten stehenden schwarzen Soldaten eindringlich in die Augen.
»Ich bin es nicht gewöhnt, mit Frauen zu streiten«, knurrte der Commander Roberto an.
Marie lächelte. »Dann haben Sie jetzt eine neue Erfahrung gemacht.«
Der Commander ignorierte sie und sprach nun direkt zu Roberto. »Unsere Armee ist jetzt hier, wir übernehmen dieses Land. Das ist kein Scherz. Jetzt brauche ich deine Unterstützung, um meine Männer einzuquartieren. Wie ich schon sagte, wenn ihr willig seid, habt ihr keine Probleme. Wenn nicht, verteile ich meine Männer nach Gutdünken, und das könnte euch später leid tun.«
»Wir haben
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